Als Agentur sind wir vor circa zwei Jahren aktiv in den Online-Handel eingestiegen. Also nicht nur als Berater oder Dienstleister, sondern komplett von der Organisation, Beschaffung (bzw. sogar Fertigung) über die Kundenverwaltung bis hin zum Versand. Mittlerweile haben wir drei Projekte am Start, ein eigenes und zwei in Kooperation mit anderen Partnern. Die Frage der Vermarktung war bei allen drei Shops von Anfang an natürlich ein wichtiges Thema, schließlich geht es vor allem darum:
http://www.youtube.com/watch?v=HpiM6dpKKJc
Verkaufen ist nicht alles … oder doch?
Nicht allein der schnöde Mammon
Doch nicht nur Umsatz steht im Mittelpunkt, auch die Markenbildung („Branding“), das Experimentieren mit eigenen Projekten, die vielfältige Kundenansprache, neue Erfahrungen (wie das Ausfüllen einer Zollinhaltserklärung oder die Trusted-Shops-Zertifizierung), der Kontakt zu Herstellern und Lieferanten und nicht zuletzt der Reputationsgewinn, als Agentur Kunden nicht nur zu beraten, sondern in ihren Schuhen zu laufen.
Selbstverständlich war für uns von Anfang an die Nutzung von Social-Media ein wichtiger Baustein, um diese Ziele zu erreichen und mit (potenziellen) Kunden und Multiplikatoren zu kommunizieren. In einer Blogserie habe ich den Start unseres Filz-Shops angekündigt, auf Twitter, Facebook und XING informiere ich regelmäßig über Veröffentlichungen und Meilensteine.
Was bei aller Euphorie fürs Thema jedoch ziemlich untergeht, ist die explizite und kontinuierliche Nutzung von Social-Media-Elementen in den Online-Shops selbst. Natürlich haben wir in allen Projekten eigene Blogs integriert, sind in den Sozialen Kanälen vernetzt oder haben – wie beim Tintenshop – passendes Videomaterial veröffentlicht. Doch wenn ich einmal ganz ehrlich auswerte, wie effektiv und erfolgreich die Maßnahmen bisher waren, hm …
Hat sich der Social-Media-Einsatz bei unseren Online-Shops gelohnt?
Kein Erfolg ist kein Erfolg
Machen wir uns nichts vor, 200 Fans bei WITTEKIND und die paar wenigen Interaktionen sind kein wirklicher Erfolg und führen weder zu Umsatz, noch haben wir damit wirklich „Branding“ betrieben. Messbare Verkäufe resultieren bei uns mehrheitlich aus der Suchmaschinen-Optimierung und der guten Sichtbarkeit der Online-Shops. Die Besucherzahlen übers Web 2.0 sind dagegen noch recht „mau“.
Auch die regelmäßige Veröffentlichung von Ratgeber- und Blogartikeln macht noch keine Leserschaft. Zumindest lassen sich hier kaum Stammleser und wiederkehrende Besucher oder gar RSS-Abonnenten messen. Es fehlt – aus meiner Sicht – noch an Power, an Leidenschaft, echter Hingabe für dieses Thema.
Die Gründe sind vielfältig:
- Zeitliche und personelle Ressourcen
- Spannung zwischen kurzfristigem Umsatz und lanfristiger Reputation
- Fehlende Zielplanung und Erfolgskontrolle
- Ausprobieren nach dem „Try-and-Error-Prinzip“
- ______________ (bitte selbst ausfüllen)
Der Blick über den Tellerrand
An dieser Stelle interessiert mich, wie andere Online-Shops dieses Thema sehen und ob es ähnliche Erfahrungen gibt. Ich habe deshalb einige Shop-Betreiber gefragt (allesamt aus Ostwestfalen-Lippe!), welche Social-Media-Kanäle sie einsetzen, welche Erfolge sie verzeichnen können und was sie von der weiteren Entwicklung im Social Web für ihr Online-Business erwarten. Hier sind ihre (zum Teil gekürzten) Statements.
Fotoalbumshop.de
Jan Rolfsmeyer aus Löhne betreibt den Fotoalbumshop, der sich auf hochwertige Babyalben, Hochzeitsalben und Urlaubsalben spezialisiert hat. Er setzt Blogsysteme, Facebook, Twitter und Google+ ein:
„Da wir keine regelmäßigen Änderungen an unseren traditionellen Produkten vornehmen können, sind wir gezwungen, eigenen Content für die verschiedenen Kanäle zu entwickeln. Wir können nur mit absolutem Expertenwissen direkt vom Hersteller glänzen. Wo früher ein Halbsatz als Beschreibung ausreichte, ist der Aufwand heute deutlich höher.
Für die Zukunft erhoffe ich mir, dass sich unsere Kunden durch den hohen Individualisierungsgrad unserer Produkte noch stärker einbringen, etwa auf Facebook. Bisher haben wir den Dialog sehr einseitig geführt. Deshalb wünsche ich mir, dass die Kunden auch untereinander ihre Erfahrungen zum Produkt mehr einbringen.“
Stil-inside.de
Mark Kobert ist Inhaber der Lifestyle Multichannel GmbH, die ihre Geschenk- und Haushaltsartikel neben einem Ladengeschäft in der Paderborner Innenstadt auch über www.stil-inside.de vermarktet:
„Wir nutzen Social Media bislang nur in nicht erwähnenswertem Umfang. Auch wenn ich das Thema auf der Agenda habe, verschiebe ich es immer wieder wegen anderer Projekte, die noch wichtiger erscheinen.“
Eventwelt-Shop.info
Daniel Klöpper aus Augustdorf bietet unter www.eventwelt-shop.info verschiedene Produkte im Bereich Eventbedarf an und hat einen interessanten Ansatz, sich die Funktionen des Web 2.0 zunutze zu machen:
„Ich setze bei unserem Shop auf Wissens-Communities wie gutefrage.net oder wer-weiss-was. Dadurch kann ich Tippgeber bei Fragen rund um Theaterschminke, Kinderschminken und Eventbedarf sein, außerdem bekomme ich durch einen Link in meiner Antwort auch Traffic und Verlinkungen zum Shop. Mit dieser Methode habe ich gute Erfahrungen gemacht und auch schon Aufträge dadurch generieren können. Ich erwarte für die Zukunft gerade auf diesen Portalen eine Steigerung der Bekanntheit und der Aufträge.“
Wir-lieben-Shops.de
Andreas Wellensiek betreibt zwar keinen Online-Shop, dafür ein sehr umfangreiches Shop-Verzeichnis und eine Preissuchmaschine. Der Bielefelder kennt daher die Anforderungen von Online-Händlern besonders gut:
„Bei unserem Shopverzeichnis Wir-Lieben-Shops.de setzen wir auf Facebook, Google+ und Twitter. Mit dieser Mischung erreichen wir vor allem eine optimale und schnelle Aufnahme neuer Unterseiten (Shop-Einträge) in den Google-Index. Das direkte Verkaufen klappt im Social Web meistens nicht. Doch die Bekanntmachung neuer Einträge sorgt für weitere Anmeldungen. Ausgefallene Shops oder Postings gehen sehr gut über Facebook, da diese dann geteilt und gelikt werden.
Wir experimentieren zurzeit viel mit Google+ und halten es zukünftig für unsere Zwecke neben Twitter für deutlich effektiver als Facebook. Man muss allerdings auch dazu sagen, dass Händler durch uns mehr Vorteile im Bereich SEO haben als direkte Besucher. Die Reichweitenbremse bei Facebook hält uns davon ab, dort mehr Zeit zu investieren.“
tiadora.de
Im Online-Shop von Jens Kottmann aus Lübbecke gibt’s jede Menge Geschenke für „Tanten und Freudeschenker“, denn tiadora heißt übersetzt „Tanten-Geschenk“. Social-Media spielt hier eine große Rolle:
„Wir nutzen Facebook, Twitter und XING, wobei unser Hauptfokus klar auf Facebook gerichtet ist. Ziel ist es hier, unsere Fans an uns zu binden, einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren und die „Persönlichkeit“ von tiadora ins Licht zu rücken. Wir stellen auch neue Produkte vor, fragen vor dem Einkauf neuer Produkte nach Meinungen (die wir auch wirklich in den Entscheidungsprozess mit einbinden!). XING dient uns in erster Linie zur Kontaktanbahnung bzw. dem Ausbau von Lieferantenbeziehungen und zum Personalrecruiting.
Wir haben uns bisher ganz bewusst gegen einen eigenen Facebook-Shop entschieden. Hauptursache hierfür ist die bisher noch nicht vorhandene komplette Einbindung in unsere bestehende Infrastruktur. Außerdem schauen wir auf die Meinungen anderer Shopbetreiber, die en gros noch nicht von den Verkaufszahlen auf FB überzeugt sind. Unser Web-Controlling zeigt uns die Herkunft unserer User und Kunden auf. Hier ist Facebook als Kunden-Kanal allerdings nicht unrelevant. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft noch deutlich mehr über mobile Endgeräte gehen wird. Die Bedeutung der Gewinnung und vor allem der Bindung von Kunden über Social Media wird ebenfalls weiter zunehmen.“
Fairtrademerch.com
Das Label www.fairtrademerch.com von David Finke aus Bielefeld hat sich ganz dem fairen Handel verschrieben und bedruckt Kleidung und andere Gegenstände nach ökologischen Gesichtspunkten:
„Hauptsächlich werben wir über Facebook, d.h. wir haben in recht kleinem Umfang Anzeigen geschaltet. Desweiteren ist FB natürlich eine optimale Plattform für quasi-umsonst Werbung, durch jeden Post von gerade gedruckten Shirts oder neuen Artikeln im Shop erreichen wir die Leute, die sich ohnehin dafür interessieren + durch geteilte Links auch darüber hinaus. Letztendlich hat sich für uns gezeigt, dass z.B. Aktionen wie kostenfreier Versand weitaus mehr wirken als erwartet. Natürlich lassen sich auch solche Aktionen sehr gut und einfach über Facebook bewerben.“
Das Ende vom Lied?
Ganz herzlichen Dank an Jan, Mark, Daniel, Andreas, Jens und David für Eure Antworten!
Ich denke, hier war für jeden etwas dabei, und dennoch hoffe ich, dass die Reise noch nicht zu Ende ist, denn mit unseren Erfahrungen sind wir in Ostwestfalen-Lippe ja nicht allein. Mich würde interessieren, wie Online-Shops in Berlin zum Social-Media-Einsatz stehen, was E-Commerce-Freunde aus Freiburg zu diesem Thema zu sagen haben und welche Erfahrungen Händler an der Nordseeküste im Web 2.0 machen. Bitte kommentiert, was das Zeug hält, setzt diesen Artikel in eigenen Blogbeiträgen fort oder liefert uns Case Studies, die Herausforderungen und Erfolge noch detaillierter beschreiben.
Lasst uns voneinander lernen und nicht müde werden, die Chancen des Social Web fürs Online-Business zu ergreifen, auch wenn sich der Erfolg vielleicht (noch) nicht zeigen mag. Manchmal muss einfach nur etwas Zeit vergehen, bis er aus seiner Höhle herausgekrochen kommt. Das wünsche ich jedem von Euch – weiterhin viel Spaß mit Euren Online-Shops!
Sehr guter Beitrag,
der zum Nachdenken über die investierte Zeit in Social Media Marketing anregen sollte.
Ich kann aus 2 Kundenprojekten mit über 10.000 Facebook-Fans ähnliches berichten. Sie Sales sind marginal, der Marketing-Effekt im Vergleich zum Einsatz nicht selten marginal. Die Frage ist, ob man mit dem Budget auf anderen Kanälen nicht manchmal mehr erreicht
Dies ist aber sehr abhängig von der Branche. Für unsere Kunden der Mode-Branche beispielsweise ist es ein sehr effizientes Medium!
Grüße
Stephan Winter
gilt m.E. nicht nur für die Profilierung der Shop-Betreiber, sondern auch für die Absatzmittler bspw. Handwerker als Themen-Experten (uptodo.de).
Wir haben nämlich zunehmend die Tragik, dass Herstellerseiten als unehrlich und tendenziös eingestuft werden, nach dem Motto: alles gut, immer bestens, tollstes Produkt…. (Bezug statement @jan).
Und vor dem Hintergrund der Google Autorenschaft (@Andreas) sehe ich ebenfalls G+ ganz klar weit vor Facebook, vielleicht noch ein wenig Pinterest dazu…. #perfekt
Hallo Thomas,
danke für den tollen Artikel!
Eure Erfahrungen decken sich exakt mit den Meinen – im früheren eCommerce – Leben als geschäftsführender Gesellschafter bei spreewald-praesente.de .
Im Social Web aktiv zu sein ist eine Lebensaufgabe, man muss sich damit identifizieren und es vor allem ehrlich betreiben. Besucher und Kunden merken ganz genau, ob man sich im Social Web wohlfühlt oder ob man nur des schnellen Euros wegen mitmacht.
Gerade Dieser ist hier aber eben nicht zu verdienen! Wenn man letztlich auf Facebook & Co. was verkaufen will muss man das sehr gefühlvoll und subtil anstellen. Es sollte nicht um das Produkt gehen, was man verkaufen will, vielmehr sollte das Projekt im Vordergrund stehen (frei nach „Mach es zu deinem Projekt“ 😉 ). Wer sich für den begehrten Klick auf den „Gefällt mir“ – Button entscheidet will mehr erfahren als bloße Produktvorstellungen (diese kann er nämlich im Shop sehen). Fans wollen hinter die Kulissen schauen, merken, dass hinter dem Flatscreen auch Menschen sind, die mit Leib und Seele dabei sind und tolle Sachen machen. Sie wollen in erster Linie unterhalten werden, nicht kaufen. Wer treibt sich schon auf Facebook & Co. rum um nach dem Produkt zu suchen, was er kaufen möchte? Richtig, niemand!
Wer als Händler im Social Web aktiv ist sollte es sich also zur Aufgabe machen dem Flatscreen wieder ein ordentliches Gehäuse zu verpassen – in Form von einer Geschichte, die sich durch die Posts aufbaut, in Form von Spaß und Leidenschaft, die zum Ausdruck gebracht wird.
Wenn man das schafft, wird man viele interessierte Leser und Fans gewinnen können, die einen im Gedächtnis behalten, Beiträge kommentieren und teilen und – eventuell – auch kaufen. Dabei muss der Kauf nichteinmal merklich im Zusammengang mit dem Social Web in Erscheinung treten, denn solche Fans haben ja den Shop und das „Dahinter“ bereits kennengelernt und kennen dann auch die Shopadresse, die sie dann vielleicht auch direkt in eingeben. Die Verbindung des Kaufs zur sozialen Anstrengung ist dann natürlich gekappt und dennoch resultiert er daraus…
Lieber Thomas,
danke für die interessante Zusammenstellung. Was können wir daraus lernen? Diese Frage bewegt mich als erstes nach dem Lesen. Ich verstehe, dass nahezu alle der befragten Unternehmen Social Media Kanaele nutzen, erhoffte Umsatzsteigerungen unter den Erwartungen bleiben und meist fb eingesetzt wird.
Ich möchte hier zunächst keine Interpretation wagen weil m.E. keine wirklich klaren Trends erkennbar sind. Was mein Ihr, M. Leisenberg
Lieber Thomas,
ein toller und nutzbringender Artikel. Jeder kann und sollte sich an die eigene Nase fassen – danke für Deine Aufforderung. #perfekt
Neben dem, dass ich mich den weiteren Meinungen anschließe, ist es für die Personen – die Beteiligten Personen – unbedingt notwendig, dass sie den Job, die auszuübende Aufgabe mit Hingabe tun, tun können und mit ihrer Hingabe und Leidenschaft den Erfolg mit Authentizität erreichen.
Hier halte ich den Begriff „Beteiligte“ für extrem wichtig. Viele sind nur „Betroffen“!
Ich sehe hier, wie auch in vielen anderen, oder sagen wir doch lieber in allen Jobs, die Notwendigkeit Entscheidungen „für sich“ zu fällen.
– Was macht mir Spaß?
– Was tut mir Gut?
– Was halte ich für sinnvoll?
Wofür lohnt sich der Einsatz von Lebenszeit und Arbeitskraft?
Dies gilt auch im Umfeld der virtuellen Welt. Sie wird von Menschen gemacht und im eCommerce wirkt die Authentizität, die wirkliche Authentizität und nicht die Image-Orientierte, sondern Werteorientierte Authentizität.
Dies ist und bleibt ein wichtiger Schlüssel, neben all den technischen Raffinessen.
Sehr gerne verweise ich auf meinen Artikel zu diesem Thema und freue mich auf die Diskussion.
http://www.smowl.de/recruiting/ein-job-muss-sinn-und-identitaet-stiften/
Viele Grüße und Danke
Jürgen Huhle