Wer kennt nicht die Situation, dass wertmässig Millionen im Lager gebunden sind, aber ein Fertigprodukt nicht ausgeliefert werden kann, weil ein sogenannter Cent-Artikel fehlt. Mit viel Improvisation, operativer Hektik und unzähligen Mails erfolgen Eilbestellungen, Maschinen- und Werkzeugumrüstungen, sowie Sondertransporte. Nicht nur, dass diese zusätzlichen Kosten nur sehr selten im Preis weitergegeben werden können, unser Kunde ist trotz der vielen Mühen wegen Terminuntreue auch noch unzufrieden und droht mit Abwanderung. Die Konsequenzen, die wir bislang aus einer derartigen Situation gezogen haben, lagen meist im Heil der höheren Sicherheitsbestände und Kapitalbindung. Ist es somit die hauseigene Konjunktur, die bei Herstellern die Bestände in die Höhe treibt? Oder bekämpfen wir mit den momentanen Instrumenten des Bestandsmanagements nur die Symptome und verschliessen vor den Ursachen jeweils die Augen? Im Lean-Umfeld hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Ursachen erhöhter Bestände in einer Untersuchung der Entscheidungsregeln münden zu lassen. Um sich einen kurzen und groben Überblick über die Bestandsstruktur zu verschaffen, ist die Verwendung der ABC-Analyse wirkungsvoll. Aber wenn es Fragen wie: Warum und weshalb hat ein Produkt einen zu hohen Bestand? Warum ist ein Produkt nicht vorrätig? zu beantworten gilt, sollte die XYZ-Bewertung hinzugezogen werden.
Noch wirkungsvoller als die Einteilung in ABC-Klassen ist die Einteilung unser Produkte nach unterschiedlichen Segmentierungskriterien. Dazu wird mittlerweile jedem Katalog-Artikel eine Anzahl von logistisch relevanten Kennzahlen (Reichweite, Verbrauchsklasse, Zu- und Abgangsmenegen) zugeordnet. Aus jeweils zwei dieser Kennzahlen beziehungsweise Kriterienpaaren wird ein Raster mit den entsprechenden Werteklassen gebildet. Es lassen sich damit schnell verschiedene Kombinationen durch die Korrelation unterschiedlicher Segmentierungsparameter bilden. Etwa durch die Kombination der Zugangs- und Abgangshäufigkeiten unser unterschiedlichen Artikel lässt sich die Bewegungsstruktur des gesamten Lagersegmentes eindeutig darstellen. Das Ergebnis dieser mehrdimensionalen Segmentierung sind offene Tabellenschablonen, die Werte nach logistischen Kriterien enthalten. Werden diese, frei zugänglichen Daten von unseren Logistikpartnern in einem dreidimensionalen Diagramm dargestellt, so erhält man unsere Kostenstruktur der Lagerbestände. Üblicherweise sind hohe Säulen in einer solchen Grafik Artikelsegmente, die hohe Lagerbestände repräsentieren und ausgelagert oder gedrückt werden können. Für weitere gemeinsame Analysen empfiehlt es sich aus unser Erfahrung genau hier weiter zu untersuchen, um die richtigen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu finden. Erfolgsversprechend für Massendaten aus Sonderlager-Räumungs-Aktionen ist die Untersuchung der Bewegungsdaten. Der Vorteil liegt darin, dass unsere Bewegungsdaten den historischen Verlauf in Form einer Geschichte abbilden, während Bestandsdaten zu bestimmten Stichtagen nur kurze Augenblicke und zeitpunktbezogene Betrachtungen darstellen. So erscheint es heute fast unwahrscheinlich, dass A-Produkte im Fertigwarenlager einen Sicherheitsbestand von 15 Tagen und mehr aufweisen. Da gerade hier durch weitere Reduktion Kosteneinsparungen in der Grössenordnung von mehr als 40 Prozent realisiert werden können. Weiterhin haben wir durch Logistik 4.0 Methoden immer wieder festgestellt, dass Losgrössen naturgemäss bereichsbezogen berechnet wurden und mit anderen Bereichen nicht abgestimmt sind. Allein durch diese bereichsübergreifende Abstimmung konnten in den vergangenen Jahren Bestände um die Hälfte reduziert werden. Grundsätzlich gilt: wenn nicht gemessen wird, dann kann logistisch auch nicht gesteuert werden. Für jedes rationale, operative Bestandsmanagement sind Logistik 4.0 Kennzahlen eine unabdingbare Big Data Voraussetzung geworden.