Ostwestfalen-Lippe und sein Mittelstand waren lange Zeit ein Erfolgsmodell ohne wenn-und-aber. Die Auswirkungen des digitalen Wandels trafen hier auf besonders sicher geglaubtes Management-nach-Gutsherrn-Art; unter anderem durch einen äusserst dynamischen Wandel der angestammten nationalen und internationalen Märkte gekennzeichnet – mit einschneidenden Auswirkungen. Er bezieht sich nicht nur auf Verschiebungen von der Industrie-, beziehungsweise Produktions- zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, sondern auf mittelständische Familienunternehmen in ihren sicher geglaubten Geschäftsfeldern. Seither befinden sich die heimischen Mittelständler zwar in einem vergrösserten Chancenfeld, zugleich aber in rasch wachsenen Zwängen, die bei nicht angepassten Lösungen den Fortbestand des Unternehmens gefährden. Das digitale Anforderungsprofil ist enorm gewachsen. War es im Produzentenmarkt der Patriarchen-Generation für das erfolgreiche Führen eines Unternehmens schon gut, ein exzellenter Techniker oder Kaufmann zu sein, so reicht das heute nicht mehr aus.
Als verwurzelter Mittelständler muss man heute gleichzeitig ein ganzheitlich strategisch denkender Generalist, operativ handelnder Macher und jemand sein, der sich als Spezialist – nicht vorwiegend statisch, sondern dynamisch auf Markt und Zielgruppen ausrichtet – auf seine eigentlichen Stärken konzentriert. Nicht nur technisch, sondern für den Bedarf seiner Zielgruppe muss er innovativ sein und auftretende Schwächen zumindest durch vorübergehende Kooperation lösen. Dringt der heimische Familienunternehmer mit einer einmal gefundenen kundenspezifischen Problemlösung nicht so in den nationalen und in den Weltmarkt ein, dass er grössere Wiederholhäufigkeiten des gesamten Auftrages erhält oder dass er den meisten Kundenaufträgen zu über achtzig Prozent durch modularisierte Teillösungen gerecht wird, die er in grösseren Stückzahlen und damit rationeller erstellen kann, so verliert er umgehend seine Wettbewerbsfähigkeit.
Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es trotz Digitalisierung auch heute (noch) Marktnischen und Marktchancen gibt, die für einen Mittelständler bei weniger Aufwand und geringerem Risiko kurz-, mittel- und langfristigen Erfolg und gesundes Wachstum gewährleisten, jedoch sind das weitgehend Einzelfälle.
Früher, als die Dienstleistung des Mittelständlers dringend benötigt und ihm die von seinem Unternehmen produzierte Ware quasi aus der Hand gerissen wurde, stellten sich mit geringerem Aufwand und Wissen stark positive Quartals- und Jahresergebnisse ein, stimmten unter anderem Liquidität, Rentabilität und gesundes Wachstum. Mit Gewinn-/Verlust-Rechnungen und Bilanzen beschäftigten sich – bereits eingetretene Zustände feststellend – vornehmlich Buchhaltung, Steuerberater, beziehungsweise Wirtschaftsprüfer; monatliche und jährliche Erfolge stellten sich traditionell von selbst ein. Produktergebnisrechnungen durchzuführen war ein nicht so bedeutendes Beiwerk. An Markt-, Vertriebsmöglichkeiten und Unternehemnskapazität orientierte und aufgestellte Planbilanzen für die nächsten drei Jahre, verbunden mit Unternehmensphilosophie, jährlich neu festzulegenden machbaren Unternehmens- und Bereichszielen und so weiter, waren mehr etwas für Theoretiker, jedoch nichts für den pragmatsichen Unternehmer (ohne Compliance Ängste).
Alles, was digitalisiert und ausgelagert werden kann, wird es auch: und so stehen unter anderem strategisches und operatives Controlling und Marketing, (mobile) Management-Informationssysteme im Vordergrund, geht es zum Beispiel um die Umsetzung strategischer Ziele in die Vertriebspraxis, muss der Unternehmer die Kennzahlen seines Unternehmens mit den Branchenkennzahlen vergleichen, Abweichungen analysieren und kurzfristige Korrektur-, beziehungsweise Steuerungsmassnahmen einleiten. Wichtig ist, selbst Experte in vielen Bereichen zu sein und möglichst alles zur Chefsache zu machen, möglichem Liquiditätsinfakt bei angestrebtem Wachstum und notwendiger Exportausweitung vorzubeugen. Echtzeit-Monitoring zu nutzen, das Investitionsprogramm zu korrigieren, beziehungsweise Leasing statt Kauf anzugehen, um das Anlagevermögen zu verkleinern und so liquide Mittel zu gewinnen. Per App zum Beispiel jederzeit den Lagerbestand an Vorräten und fertigen Erzeugnissen und die Aussenstände beziehungsweise den Forderungsbestand und damit das Umlaufvermögen (automatisch) zu verkleinern. Im Bundesanzeiger für eine öffentlich transparente, anerkannte Eigenkapitalquote zu sorgen, sowie den Dispokredit, unter anderem auch zur Finanzierung von Saisonaleinflüssen und Besonderheiten im Geschäftsablauf – beispielsweise unvorhergesehene Verlängerung von Zahlungszielen, vorübergehender Lageraufbau – ausreichend zu bemessen.
Für solche Analysen und Massnahmen ist der Unternehmer persönlich oder mit Hilfe eines guten Stabes an (digitalen oder menschlich-analogen) Assistenten zuständig. Im Gegensatz zu grossen Aktiengesellschaften mit Fach-, beziehungsweise Stabsabteilungen muss der Mittelstand mit den vielfältig (nicht nur) digital verknüpften Problemen mit kleiner Führungsmannschaft im Rahmen eines Lean Managements selbst zurechtkommen. Ein solch kleineres Orchester muss im einzelnen dennoch genauso umfassend qualifiziert sein, und der Dirigent, der Unternehmer, muss fähig sein, dieses bei allen Anforderungen des digitalen Wandels so zu dirigieren, als sei es ein grosses.
Das alles sind unter anderem Gründe, warum viele mittelständische Unternehmer amtsmüde sind, zum Teil beim Thema Digitalisierung überfordert resignieren.
In dieser sehr komplexen (neuartigen) Situation braucht der regionale Mittelstand als Partner seines Vertrauens, neben bestimmten Beiratsmitgliedern, andere externe Personen, wie eben den Social Media OWL Verein, die IHK und seine Hausbank. Von ihnen erwartet er nach vielen Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit Hilfe und Unterstützung, einerseits zur Bewältigung der sprunghaft gestiegenen Anforderungen an ihn selbst und andererseits zur Gewährleistung von Überleben, Liquidität, wirtschaftlichem Erfolg und gesundem Wachstum seiner Firma im Rahmen einer zu gestaltenden und abzusichernden Unternehmensnachfolge.
Dabei hilft es ihm wenig, wenn die Bank oder IHK ihm eine grosse (omni-potente) Beratungsgesellschaft vermittelt, die mit mehreren hochqualifizierten und teuren Beratern in sein Unternehmen einfällt. Er braucht die Vermittlung eines nicht nur analysierenden, sondern auch umsetzenden Beraters beziehungsweise Fachteams, das die Besonderheiten und spezifischen Vorgänge in mittelständischen Unternehmen aus eigener Erfahrung kennt. Wichtig für den digitalen- und Geschäftsmodell-Wandel sind vermittelte absolute Vertrauenspersonen, der er sich offenbaren und mit denen er die sensiblen Probleme in seinem Unternehmen und damit auch in seinem persönlichen Bereich angehen und erfolgreich lösen kann. Gerade auch der Verein Social Media OWL steht aufgrund des lokalen Bezugs in der Pflicht, diesen mittelständischen Unternehmern ein solch kompetenter Einzelpartner auf Augenhöhe zu sein.
Fazit: hier ist das noch nie gesagte, geschweige denn geschriebene Lobeswort an die weisen Gründungsväter dieser einmaligen SMOWL-Truppe.
Ach Jan,
„Was tun sprach Zeus, die Götter sind besoffen?“ Wohin nur gehen, wenn alle Orientierungslos vor sich hin faseln?
Wo findet man denn den „kleinen“ Berater des Vertrauens?
Vertrauen, Menschlichkeit, das gemeinsame Verständnis davon, was für die beiden Partner einer temporären Unternehmer-Berater-Ehe wirklich wichtig ist, darum geht es doch, oder?
Das Ganze ist doch wie ein Arztbesuch. Immer mal notwendig, lange sträubt man sich, und am Ende weiß man wieder, dass man weniger hätte Leiden müssen, wenn man einfach mal früher hingegangen wäre.
Viele Fragen stellen sich auf dieser Suche. Wen brauche ich – wo steht mein Unternehmen denn nun wirklich? Doch, so sehr ich dafür plädiere die Energie der Region zu nutzen. Manchmal gibt es die Kompetenz einfach nicht vor Ort.
Die kritischsten Anfangsfragen sind ja nicht: „Wie baue ich eine Social Media Strategie?“ oder „Welches Crowdfunding Portal kann ich für eine disruptive Innovationsidee nutzen?“ oder „Wo finde ich Partner für gemeinsame interdisziplinäre Produktentwicklungen?“. Die kritischen Ausgangsfragen sind doch: „Wo stehe ich mit meinem Unternehmen?“, „Wie Reif und entwicklungsfähig ist meine Organisation?“ „Wo stehen die Mitarbeiter, wo die Stakeholder?“ „Worauf kann ich weiter bauen?“ „Wo sind die Störungen im Fundament des Unternehmens?“
Hier ist zumeist (regional nicht immer vorhandene) sehr spezifische Kompetenz gefragt. Worauf sich für mich die Frage anschließt: Wie finden in dieser wunderbar digitalen Zeit, in der auch die „kleinen“ fast standortunabhängig ihre Kompetenzen anbieten können, Angebot und Nachfrage zusammen?
Für diese „Fachärzte“ unter den Beratern (wie mich) ist die Digitalisierung zwar Lösung und Segen, aber auch Fluch zugleich.
Segen, weil die meisten Tools Online funktionieren und „nur“ die gemeinsame Analyse der Ergebnisse vor Ort stattfindet. Segen, weil wir damit zum größten Teil in den auf unsere Arbeit optimierten Umfeldern arbeiten können – im gewohnten gut ausgestatteten Büro oder bei den Menschen vor Ort – je nachdem was gerade sinnvoll ist.
Fluch, weil solche sehr spezifischen Angebote im digitalen Rauschen untergehen. Die Qualität unterliegt der Quantität der Angebote – worunter beide Seiten, Unternehmen wie Berater, leiden.
Womit ich wieder bei meiner Eingangsfrage bin: Wo findet Unternehmen den Fachberater seines Vertrauens?
Ich glaube es würde Unternehmen wie Beratern helfen diese erste Frage für sich zu klären….
Viele Grüße
Guido
P.S.: Wer sich konstruktiv einer Antwort nähern möchte, dem sein der Networking-Canvas empfohlen. Strukturierte Fragen, die helfen organisationsindividuelle und gute Antworten zu finden. http://www.bosbach.mobi/downloads/Koop-_u_Netzwerk-Canvas.pdf
Hallo Guido,
absolut bei Dir, wenn es um die Prophylaxe im Mittelstand und die Vergrösserung des Suchradius für Hilfestellungen geht! Dein Beispiel mit dem Arzt inspiriert mich!
Denn der regelmässige Besuch beim Arzt ist ab einem bestimmten Alter inzwischen selbstverständlich – kann doch eine Vorsorgeuntersuchung potenzielle Gefahren bereits im Vorfeld entschärfen. Kaum jemand kommt auf die Idee, er könne sich die Vorsorgeuntersuchung sparen, weil er bislang immer gesund gewesen sei. Eine routinemässige Kontrolle des eigenen Unternehmens hingegen findet in weiten Teilen der kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht statt.
Nicht von ungefähr gehört es für einige der grossen Konzerne in unser Region schon beinahe zum guten Ton, sich regelmässig von Unternehmensberatungen durchchecken zu lassen. Aus gutem Grund. Schliesslich geht es vor allem darum, potenzielle Gefährdungen zu erkennen, bevor aus einer Fehlentscheidung eine Krise erwachsen kann oder – mindestens ebenso wichtig – bevor aus einer nicht getroffenen Entscheidung eine Krise im Unternehmen entsteht.
Neben diesen Defensivaufgaben gibt es in der Prophylaxe aber auch eine offensive Aufgabe: brachliegende Potenziale aufzuspüren. Dies gilt für strategische Entscheidungen über Produkte und Märkte, ebenso wie für die Optimierung von Kapitalbindung, Betriebsabläufe und Motivation des Personals.
DANKE für Deine Anmerkungen und Links!