Bei der gestrigen SMOWL-Sitzung in Bad Oeynhausen ergab sich eine kurze, aber intensive Diskussion über eine gefühlte „Unsitte“, sich bei Veranstaltungen mit Smartphone, Laptop & Co. zu beschäftigen, anstatt sich mit voller Aufmerksamkeit dem Programm zu widmen. Ich gebe zu, dass ich an verschiedener Stelle genau das getan habe. Doch ich verneine mit aller Entschiedenheit, nicht aufmerksam gewesen zu sein. Für mich ist es völlig normal, dieses „Multitasking“ zu betreiben. Ich kann gut zuhören und dem Programm folgen und gleichzeitig auf Facebook Google+ meinen Status posten, aktuelle Tweets verfolgen oder auch mal eine E-Mail beantworten. Nein mehr noch: Ich finde, von der Parallel-Beschäftigung lebt eine Veranstaltung, die sich mit dem Thema Social Media / Internet oder SEO beschäftigt.
Entschuldigung, aber wir sind so. Wir sind immer mobil. Wir laden unsere E-Mails nicht mehr, sie purzeln jederzeit ins Postfach. Wir markieren uns und unsere Freunde an verschiedenen Orten. Wir kommentieren, was das Zeug hält. Wir beteiligen uns an Diskussionen. Wir sind gerne live dabei. Wir fühlen uns als Teil einer Gemeinschaft von Onlinern. Wir sprayen unsere Nachrichten an Twitter-Walls. Wir gruscheln, stupsen an und liken, wie es uns gefällt. Auch und vor allem während wir uns im Real-Life treffen.
Erste Erfahrungen mit dieser Art virtueller Begegnungen im gleichen (lokalen) Raum habe ich vor einigen Jahren bei einer Messe in Frankfurt gemacht. Dort wurde zum ersten Mal eine „Blogger-Lounge“ eingerichtet, wo die digitalen Nomaden sich mit ihren Laptops (und guten Kaffee) zurückziehen und networken konnten:
„Besonders erstaunlich: Noch vor dem Händeschütteln werden XING-Accounts freigeschaltet (…) und die vorbeiziehenden Besucher starren uns Blogger an, wie die Tiere im Zoo. ‚Das sind sowas wie Journalisten, nur online und so…‘ – Gesprächsfetzen solcher Art dringen an unser Ohr und sorgen für manche Erheiterung.“
Heute ist es für mich normal, jemanden in der Kaffeepause persönlich kennen zu lernen und in der anschließenden Session bei XING zu kontakten oder mich bei Facebook zu vernetzen. Manchmal sogar auch andersrum. Bei vielen Konferenzen in der SEO- oder Web 2.0-Szene sowie auf Barcamps ist die Online-Beteiligung der Besucher auch Bestandteil des Programms, etwa durch gemeinsame Hash-Tags oder direktes User-Feedback an die Referenten.
Liebe Referenten, liebe Programm-Verantwortliche: Bitte nehmt uns diese „Unsitte“ nicht übel. Und schon gar nicht persönlich. Wir hören Euch zu. Uns interessiert, was Ihr sagt. Sonst gehen wir raus. Wenn wir dabei bleiben, sind wir dabei. Entschuldigung, aber wir sind so.
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Leider kann ich Ihnen nicht voll zustimmen. Mit „Entschuldigung, wir sind so!“ kann man es sich auch sehr leicht machen und alles zukünftig respektlose Verhalten rechtfertigen.
Meine Erfahrung ist es, dass es nicht ums Stupsen, Gruscheln, Tweet-Sprayen im Sinne der Pflege der eigenen Online-Community geht, sondern eher das Gefühl besteht eine vermeintlich wichtige Email (besonders nach 20 Uhr) oder einen Facebookeintrag zu verpassen, der in zwei Stunden auch noch da ist. Das Smartphone wird vorher bereits demonstrativ auf den Tisch gelegt, um auch anzudeuten: „Ja, ich bin online unterwegs, wichtig und muss erreichbar sein!“
Aufmerksam zuhören. Geht leider nicht, da die Wahrnehmungskapazität nie mehr als 100% sein wird. Meist ist sie standardmäßig durch Müdigkeit und andere Bedürfnisse niedriger. Sollten Sie multi-tasking unterwegs sein, wird sich diese Kapazität 50/50 oder anders aufteilen. Bei einem spannenden Blogbeitrag ist man sogar ganz weg vom Vortragenden.
Der Höflichkeit gebührt es dem Referenten seine Aufmerksamkeit zu zeigen oder den Raum zu verlassen. Letzteres passiert äußerst selten, dafür wird kräftig im FB, Xing, Emailpostfach geschaut, ob man nicht doch gerade für 10 min etwas verpasst hat.
Mangelnden Blickkontakt deuten wir als Desinteresse. Sich einzureden, dass einem schon alle Tipper zuhören bringt nur rational etwas, emotional fühlen wir uns als Vortragender nicht gewürdigt.
Am Ende entscheidet doch immer das Maß. Wenn jemand während der Veranstaltung sein Smartphone nicht mehr aus der Hand bekommt, dann soll er wirklich besser den Raum verlassen, da er auch andere vom „aufmerksam zuhören“ abhält. Sollte jemand aber kurz zweimal einen Tweet (140 Zeichen) posten, dann ist das für mich als Referent auch kein Ding und ich kann das einschätzen. Besonders wenn er vorher noch eine thematische Frage gestellt hat.
Alles im Sinne des Respektes für den Vortragenden, der sich Arbeit gemacht hat. Die Entscheidung wie ich mit der digitalen Welt umgehe, liegt bei jedem selbst. Immer mobil zu sein, kann aber doch bitte nicht die Ausrede sein.
Claudia Schmitz – Digital Native
PS: Mein Smartphone bleibt bei Veranstaltungen in der Tasche, so wie ich es auch von meinen Seminarteilnehmern verlange. Der Griff in die Tasche muss sich dann für einen Tweet lohnen. Sollte ich das Smartphone zum Emailschecken, Facebooksurfen etc. nutzen, dann wäre das bei mir ein klares Zeichen von Desinteresse. Den Raum verlasse ich nicht, weil ich entweder hoffe, dass es noch spannender wird, mich das nächste Thema oder der Austausch an sich interessiert oder es zu viel Aufsehen erregen würde, zehn Menschen darum zu bitten, mich „rauszulassen“.
Herrlich.
Auf das Echo habe ich gewartet und finde es sehr passend. „Ich bin eben so“ halte ich für genauso „gesund selbstbewusst“ wie auch „ignorant Veränderungsresistent“.
Claudia Schmitz hat Recht: „Am Ende entscheidet doch immer das Maß.“
Dennoch prima, wenn Thomas Kilian mal ein Ende der „Messlatte“ benennt und sich dort (hoffentlich nur kurz) aufhält 😉
Stefan Freise
Wie wahr, wie wahr….
ich fühle mich ertappt und nicht allein.
Es macht Spaß der Welt „da draußen“ mitzuteilen, wo ich mich gerade befinde und bereits während einer hoffentlich spannenden Veranstaltung mit DEM Social Web über den Inhalt zu diskutieren und alle daran teilhaben zu lassen.
Sicher ist das Maß entscheidend, da stimme ich zu. Jedoch ist es im Zeitalter des Multitasking und Social Web doch eine nette Möglichkeit mehr Zuhörer zu generieren als tatsächlich vor Ort sind und somit die Botschaft zu streuen und Interesse zu wecken.
Für mich also zusammenfassend eine spannende Möglichkeit herausfinden, was denken denn andere darüber und ja, ich gebe es zu, manchmal auch eine kurze Verschnaufpause bei langatmigen Vorträgen.
Ist dann nur die Frage, wem man dann den Vorwurf machen sollte?!
Christina
Hm,
also ich finde es durchaus unhöflich dem Referenten gegenüber und verwende mein Smartphone nur dann, wenn ich beim lesen der Folien schneller bin als der Referent beim _vorlesen_. Das gleicht sich dann sozusagen an Unhöflichkeit aus 😉
Ich finde es aber ernsthaft eine Unsitte und ich denke man (zumindest ich) kann nicht einem Vortragenden interessiert zuhören und zeitgleich einen interessanten Status beantworten.
Allerdings denke ich, es liegt auch an den Vortragenden selbst. Zumindest bin ich der Meinung, mit meinen Vorträgen die Zuhörer derart zu fesseln, dass diese eben keine Zeit/Interesse haben sich mit Ihrem Smartphone zu beschäftigen.
Aber beim nächsten Vortrag werde ich das Publikum mal genauer beobachten. (Leider muss mein heutiger Vortrag ja krankheistbedingt ausfallen).
Grüße
Thomas Werning