Dieser Beitrag setzt sich mit Instrumenten der aktiven Krisenbewältigung auseinander. Den Fokus bilden hierbei mittelständische Unternehmen. Es folgt eine mittlerweile historische Vogelperspektive einer Firmensanierung durch Abbau und Wegfall. Der Zeitraum für Intrigen, Hass, persönliche und berufliche Trennungen erstreckte sich über 42 Monate, um annähernd zum ursprünglichen Ertragsniveau zurück zu finden. Die mögliche Alternative einer Plan-Insolvenz wurde mit Blick auf Mitarbeiter-Anwartschaften bewusst verworfen. Nur so konnten alle Positionen im Unternehmen offen in Frage gestellt werden. Es zeigt die Instrumente des Krisenmanagements einer mittelständischen Holding idealtypisch (mit internen und externen Hilfen und Sichten) auf. Die neue Transparenz gegenüber Kreditoren, Geldgebern und Shareholdern wurde durch Governance und Compliance Reporting nach Web2.0-Prinzipien, sowie durch Push-Nachrichten an Scoringdienste, Bundesanzeiger und Mitarbeitende-App in Echtzeit-Monitoring bewusst etabliert. Statt Bierdeckel-Kaffeesatz damit Abgleich der eigenen Karriere- mit Unternehmenszielen und aufgezeichneten Optionen.
Krisen treffen viele mittelständische Unternehmen vergleichsweise unvermittelt. Ausschlaggebend für den Erfolg des Wendemanövers ist eine schonungslose Analyse des Ist-Zustandes, um den Fortbestand nicht, mangels Masse, in Frage zu stellen oder das Erreichen von strategischen Unternehmenszielen nicht zu vereiteln. Zielsetzung ist letztlich die Schaffung von mehr Wert für alle am Unternehmen (noch) interessierten Gruppen. Krisen sind damit ungeplante Prozesse und nur von begrenzter Dauer: entweder gelingt die Wende oder die Wertvernichtung führt zur Liquidation. Wer sich krisenhaften Entwicklungen gegenübersieht, wird unweigerlich von der Reenginering- oder Digitalisierungs-Welle erfasst. Dieses Management-Thema beherrscht derzeit die Strategiediskussion in den Geschäftsetagen. Im Zusammenhang mit Industrie4.0 (Automatisierung, Rationalisierung) taucht der Krisenbegriff immer wieder auf. So ist ein Krisenbewusstsein der Mitarbeiter für eine erfolgreiche radikale Neuorinetierung im Unternehmen unabdingbar. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Industrie4.0 Massnahmen nur dann wirklich Innovationen herbeiführen, wenn eine Unternehmenskrise noch nicht virulent ist. Die sinnvolle Umsetzung von Digitalisierungs-Massnahmen bindet die vorhandenen Managementkapazität in der Regel vollständig. Sie steht aber in einer wirklich existenz-bedrohenden Krisensituation in diesem Aus- und Augenmass nicht zur Verfügung. Kritisch ist die Lage für das Unternehmen genau dann, wenn die Zeitfrage zur Überlebensfrage wird. Deutlichster Indikator sind kritische bis ablehnende Beurteilungen des Kreditengagements von seiten der Banken – um nur ein Beispiel zu nennen. In diesem Zeitpunkt ist das Management gefordert, alle Industrie4.0-Gedanken vorerst zur Seite zu legen und situatives Krisenmanagement zu betreiben, um über eine Wende wieder Anschluss an die Wettbewerber zu finden.
Basis des weiteren Vorgehens ist eine nicht beschönigende Aufnahme der Situation des Unternehmens per se und in seinem Wettbewerbsumfeld. Diese teilt sich in vier Analysefelder:
(1) Überrprüfung der Leistungs- und Aussagefähigkeit des bestehenden Controlling-Systems,
(2) Aufnahme der strategischen Ressourcen-Positionen des krisengeschüttelten Unternehmens,
(3) Analyse des Produktprogramms, sowie
(4) Analyse der wettbewerbsfähigen Standards unter Einbeziehung potenzieller Konkurrenten.
Die Notwendigkeit der Wende von der kritischen Verlustsituation zur ertragreichen Zukunft impliziert oft das Versagen des bestehenden Controlling-Systems. Insbesondere die Frühwarnung, -erkennung und -aufklärung konnten ihrem Zweck nicht gerecht werden. Das heisst im Klartext, dass Bedrohungen nicht rechtzeitig wahrgenommen, die damit einhergehenden Chancen nicht heraus kristallisiert wurden und keine Entwicklung von Gegenmassnahmen erfolgte. Neben der Erkenntnis-, kommt sonst auch eine Umsetzungs-Schwäche zum Tragen, die in einem solchen Fall durch externe Hilfe begleitet werden muss.
Lückenhafte Datenbasis im Mittelstand
Kleine und mittelständische Unternehmen haben kaum die Mittel und Möglichkeiten zur Durchführung anspruchsvoller Prognosemethoden. Diese Erfassungslücke kann in KMUs unter Betrachtung des Zeitdrucks durch eine Grobaufnahme der wesentlichen Kennzahlen verkleinert werden. Beispielhaft sind folgende Kennzahlen zu erheben: Ergebnis- und Liquiditätssituation, Eigenkapitalquote und -rentabilität, arbeitendes Kapital, Umsatzrentabilität und Materialquote, Anteil des Personalaufwands an der Gesamtleistung, kurz- und mittelfristige Mittel im Verhältnis zu entsprechenden Verbindlichkeiten, Deckungsbeitrag in Prozent zum Kunden, Umschlagshäufigkeit des Vorratsvermögens und Reichweite des Auftragsbestands. Bewährt hat sich auch – soweit nicht schon vorhanden – die Erstellung einer Planbilanz, einer Plangewinn- und Verlustrechnung, sowie einer Liquiditätsprognose für das laufende und der nächsten drei Folgegeschäftsjahre auf Basis der Ist-Situation. Dadurch wird offenkundig, dass unverzüglich Massnahmen zur Abwendung der Existenzbedrohung zu ergreifen sind und wo genau diese ansetzen müssen.
Im Rahmen der Ist-Analyse wird eine Ist-Aufnahme der Ressourcenpositionen durchgeführt. Sie dient der Ist-Aufnahme der bestehenden, sowie der Aufdeckung potenzieller Ressourcen-Positionsbarrieren gegenüber den Konkurrenten, die durch die negative Beeinflussung der Kosten- und Erlössituation gefährdet sind. Eine vorteilhafte Ressourcenposition protegiert das Innovationspotenzial des Krisenunternehmens. Die Analyse der Ressourcenposition identifiziert Kernfähigkeiten und -kompetenzen, also jene Ressourcenkombination, die Wettbwerbsvorteile generieren. Sie verleihen dem Kerngeschäft des Unternehmens Einzigartigkeit und führen dazu, dass die bestehenden und potenziellen Konkurrenten die Produkt- oder Leistungsstrategie des Unternehmens nicht imitieren und nur erschwert substituieren können. Diese Ressourcenposition bildet die Grundlage für erfolgreiches Unternehmertum im Sinne Schumpeters und damit die Basis für die angestrebte Wende.
Ein tatsächliches Bild der Unternehmenssituation liefert die Untersuchung des Lebenszyklus der einzelnen am Markt abgesetzten Produkte. Während die Wachstums- und die Reifephase für die Krisenanalyse eher von untergeordneter Bedeutung sind, ist der Produkterfolg vor allem während der Einführungsphase und der Degenerationsphase bedroht. Die Markteinführung von Neuproduktentwicklungen ist mit Innovationsrisiken über die tatsächliche Höhe des First-Mover-Vorteils behaftet. In der Degenerationsphase ist die Entscheidung über die Rücknahme des Produktes vom Markt oder über die Einleitung eines Relaunchs zu treffen. In beiden Fällen kann die Existenz des Unternehmens bedroht sein, wenn es sich um die Verarbeitung von Kernprodukten handelt. Daneben muss die Marktseite untersucht werden. Im Rahmen des Zeitdrucks sind insbesondere die wettbewerbsfähigen Standards durch eine Markt- und Konkurrenzanalyse zu erfassen. Zu diesem Zweck empfiehlt sich die Durchführung einer Portfolio-Analyse. Hier wird der Marktanteil zum Marktwachstum in Beziehung gesetzt. Die konkurrenz-abhängige Krisensituation ist durch eine eher unbedeutende Wettbewerbsposition in einem Markt mit niedrigem Wachstum gekennzeichnet (Dog-Position).
Zusätzlich ist zu untersuchen, wie das Unternehmen im Spannungsfeld potenzieller Konkurrenten positioniert ist. Adäquates Hilfsmittel ist eine Matrix von Markteintrittsbarrieren und Überlebensbarrieren. Entry Barriers (zum Beispiel Überkapazitäten, durch Produktdifferenzierung reduzierte Kreuzpreiselastizitäten der Nachfrage oder fixkostenerhöhende Änderungen der Produktionsfunktionen) richten sich gegen potentiell in den vorhandenen Markt eintretende Wettbewerber und beeinflussen deren Markteintritt, indem sie ihre Erwartungen von Quasi-Renten korrigieren. Survival Barriers (oder auch Kontinuitätsbarrieren) entstehen durch Kontinuität und Wachstum. Beispiele sind hohe Gesamtinvestitionen, absolute Kostenvorteile, spezialisierte Fertigkeiten oder ein langsamer Kapitalumschlag. Die Matrix Markteintritts-/Überlebensbarrieren zeigt, inwieweit das Unternehmen vor dem Hinzukommen von Newcomern geschützt ist und wie die Marktanforderungen an die bestehenden Wettbewerber einzuschätzen sind.
Bevor eine Wende ausgearbeitet werden kann, ist zu überprüfen, ob die aktuell zur Verfügung stehenden Finanzmittel überhaupt noch eine entsprechende Reichweite haben. Diese muss so bemessen sein, dass ein Wendekonzept sinnvoll umgesetzt werden kann. Andernfalls kommen, beispielsweise für Industrie4.0 Aufwendungen auch Förderprojekte als Fremdmitteln in Frage.
Unter den folgenden Instrumenten hat die Liquiditätssicherung absolute Priorität. Dies geschieht über die Erstellung eines aktuellen Liquiditätsstatus, verbunden mit einer Liquiditätsplanung für mindestens 18 Monate. Diese Liquiditätsanalyse beruht auf den vorhandenen Erkenntnissen ohne Berücksichtigung zukünftiger Massnahmen. Liquiditätsstatus plus -planung geben darüber Aufschluss, wann gegebenenfalls Liquiditätsengpässe auftreten oder ob sogar Illiquidität droht. Die (zumindest dekandenweise instituierte) Liquiditätsplanung offenbart den Zeitraum, der zur Realisierung kurzfristig kassenwirksamer Massnahmen verbleibt. Flankierend zu den Massnahmen der Zahlungsebene sind kruzfristig Ausgaben zu reduzieren und Einnahmen zu erhöhen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass derartige Instrumente durchaus zu Lasten der Rentabilität gehen können.
Flankierende Instrumente zur Reduzierung von Ausgaben umfassen folgende Massnahmen: durch befristete Zentralisation der Entscheidungsverantwortung über die Höhe der von unteren Hierarchiestufen bisher eigenverantwortlich disponierten Ausgaben erfolgt eine extreme Herabsetzung der Betragsgrenzen (zum Beispiel von bisher 100.000 auf heute 10.000 Euro). Bereits erteilte Investitionsaufträge sollten auf eine Stornierung oder wenigstens auf die liquiditätskonforme Verschiebung überprüft werden. Damit einher geht eine kurzfristige Fokussierung der Investitionsplanung auf solche Projekte, die für die Sicherung und den Ausbau des Kerngeschäfts von nachhaltiger Bedeutung sind (insbesondere unabweisbare Ersatzinvestitionen). Parallel gilt dies auch für die Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, die auf ein gerade noch vertretbares Minimum zu ermässigen sind. Ergänzend sind die möglichen Zahlungsziele auszunutzen.
Der Werbeetat ist hinsichtlich seines Volumens kritisch zu überprüfen mit dem Ziel einer vertretbaren Ausgabenkürzung. Den Faktor Personal trifft als ausgabensenkende Sofortmassnahme ein allgemeiner Einstellungsstopp. Auch freiwillige finanzielle Leistungen des Krisenunternehmens an die Mitarbeitenden werden abgebaut, aussertarifliche Zahlungen auf Tariferhöhungen angerechnet und die Entlohnungsmodalitäten der aussertariflichen Mitarbeiter geprüft und angepasst.
Flankierende Sofortmassnahmen mit positiver Wirkung auf die Einnahmen sind folgende: die Einnahmen steigen kurzfristig, wenn auf eine zeitnahe Fakturierung und ein striktes Mahnwesen geachtet wird. Zwar negativ für die Ertragslage, wohl aber positiv für die Liquidität wirkt sich aus, wenn noch nicht fällige Forderungen vor Ablauf des Zahlungsziels unter Gewährung von Vorzugsskonti eingebracht werden. Weitere liquiditätsverbessernde Massnahmen lassen sich auch durch Sale-and-Lease-back Verfahren erreichen, wenn das betriebsnotwendige Vermögen veräusserbare Gegenstände umfasst (beispielsweise das Verwaltungsgebäude). Eine Entspannung der Liquidität kann ergänzend durch Abbau des Vorratsvermögens erfolgen. Daher sind Bestände im Rohmaterial-, Halbfertig- und Fertigwarenbereich zielgerichtet zu überprüfen (allerdings unter Inkaufnahme von Ertragsminderung). Es ist jedoch nicht gewährleistet, dass die hier genannten Sofortmassnahmen ausreichen, um die Zahlungsbereitschaft für den Zeitraum der Wende sicherzustellen. Insoweit ist das Management gehalten, die Anteilseigner und/oder die Hausbanken zur kurzfristigen Überbrückung der Liquiditätslücke einzubeziehen.
Im Anschluss an die Bestandsaufnahme und die Sofortmassnahmen der Krisensituation werden die geeigneten Instrumente zur Durchführung der Wende ausgewählt. Hierbei ist nach dem Zeit- und Handlungsspielraum zwischen strategischen und operativen Instrumenten zu unterscheiden. Strategische Instrumente haben als Sanierungsmassnahmen grössere Tragweite mittel- bis langfristigen Wirkungscharakter. Beispiele sind die Liquidation von Teilen des Unternehmens, deren Zerschlagung oder Verkauf. Operative Instrumente umfassen alle Massnahmen, mit denen der Wandel des Unternehmens erreicht werden kann. Beide Dimensionen müssen in einem erfolgreichen Wendekonzept enthalten sein.
Nach der Sicherung der Liquidität wird mit ausgewählten Massnahmen die Wiederherstellung der Rentabilität und damit das Überleben des Unternehmens in der Zukunft angestrebt. In Anbetracht der meist nur knappen zeitlichen Ressourcen müssen die zu setzenden Ziele realistisch sein und die Kosten für externe Interims-Beratung, Gutachten, Krisenkonzepten und -bilanzen enthalten. Auf Basis der während der Ist-Analyse identifizierten Kernfähigkeiten und -kompetenzen ist die Marktdurchdringung zu verbessern. Im Zuge der Konzentration auf das Kerngeschäft sollte sich das Krisenunternehmen auf klar erkannte und auch tatsächlich vorhandene Marktnischen zurückziehen. Auf diese Weise kann es seine strategische Ressourcenposition zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen einsetzen. Eine eventuell bestehende Lücke zwischen der hierfür notwendigen Ressourcenposition und den tatsächlich im Unternehmen vorhandenen Fähigkeiten oder Kompetenzen (Resource Gap) ist zu schliessen.
Über das Ausmass der Wettbwerbsvorteile entscheidet letztlich der Kunde. Mehrjährige Beobachtungen von Wendeverläufen haben ergeben, dass solche Krisenunternehmen die höchsten Renditesteigerungen erzielen, die Produkt- und Servicequalität für den Kunden in den Mittelpunkt ihrer Strategiebetrachtungen stellen und das Produktsortiment bereinigen. Entscheidend ist, dass ab sofort das Unternehmen strikt vom Markt her geführt wird. Die stärkere Marktdurchdringung darf allerdings nicht durch einen Preiswettbewerb erkauft werden. Dieser würde einerseits die langfristig angestrebte Wettbewerbsposition gefährden und verbietet sich andererseits aufgrund der schmalen Liquidität.
Zusätzlich zu den bereits dargestellten kostensenkenden Sofortmassnahmen müssen nachhaltige Kostensenkungspotenziale aufgedeckt werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Fixkostenblock. Die klassischen Prüfgebiete für Kostensenkungsmassnahmen sind nach den Funktionsbereichen zu spezifizieren:
(a) Vertrieb: unter anderem Verkaufsorganisation, Distributionssystem, Absatzmttler, Aussendienst, Service, Kooperationsmöglichkeiten;
(b) Beschaffung: Lieferantenwechsel, bessere Preis- und Lieferkonditionen, Veränderung der Beschaffungsmengen;
(c) Produktion: Verringerung der Fertigungstiefe, Aufgabe oder Outsourcing von Fertigungsteilen, Durchlaufzeitensenkung, Standortwechsel;
(d) Forschung und Entwicklung: Einschränkung beziehungsweise Aufgabe eigenständiger Forschung und/oder Entwicklung, Kooperationsmöglichkeiten;
(e) Personal: vorzeitige Pensionierung, Überstundenabbau, Kurzarbeit, freiwillige Trennung einzelner Mitarbeiter vom Unternehmen, freiwillige Sozialleistung;
(f) Allgemeine Verwaltung: Ausgliederung von Servicebereichen (zum Beispiel EDV, Logistik), laufende Kosten (Energie, Telefon, Miete).
Im Ergebnis kann das Krisenunternehmen mit ermässigten Stückkosten und verbesserten Deckungsbeiträgen arbeiten. Die geschilderten Kostenreduzierungen können mittelständische Unternehmen in der Regel aus eigener Kraft durchführen. Darüberhinaus haben sich weitere Kostensenkungstools, wie die Gemeinkostenwertanalyse, die Produktwertanalyse und das Zero-Base-Budgeting bewährt. Üblicherweise werden zur Umsetzung dieser Methoden einschlägig erfahrene Unternehmensberater eingesetzt. Unter Einbeziehung der Zielsetzungen des Konzepts stehen Überlegungen an, ob und inwieweit langfristig die Bilanzrelationen verändert werden können. Wirksame Ansatzpunkte auf der Aktivseite sind hier das Anlage- und Umlaufvermögen. Es gilt nun, herauszufinden, welches Potenzial an stillen Reserven im nicht oder nicht mehr betriebsnotwendigen Anlagevermögen vorhanden ist. An der Überprüfung der Betriebsnotwendigkeit ist ein strenger Massstab anzulegen. Sollte der Erlös den Buchwert übersteigen, verbessert sich insofern die Bilanzrelation von Eigenkapital zu Fremdkapital. Die Krise verlangt zudem eine Senkung des Vorratsvermögens bis zu der Grenze, die dem Kunden hinsichtlich des Lieferverhaltens gerade noch zumutbar ist.
Auf der Passivseite sind Umschuldungsaktionen oder auch ein Kapitalschnitt zu diskutieren. Typische Massnahmen, die den Gläubigern vorgeschlagen werden, sind Forderungs- und Zinsverzicht, Stundung und Zahlungsaufschübe. Unter der Prämisse einer wachstums-orientierten Unternehmensführung (Going Concern) sind der aktuelle und zukünftige Kapitalbedarf und die einzelnen Finanzierungsmassnahmen zu definieren. Hier liegt eine realistische Finanzplanung zugrunde, die über den Horizont von nicht unter fünf Jahren verfügen sollte. Wünschenswert ist, dass die bisherigen Anteilseigner das erforderliche Kapital aufbringen können. Sollte dies nicht möglich sein, sind neue Kapitalgeber zu akquirieren (zum Beispiel Venture-Capital-Gesellschaften). Auf seiten des Fremdkapitals ist auch über die Beantragung einer Staats- oder Landesbürgschaft nachzudenken, um weitere Fremdmittel bei den Banken zu beschaffen. Die geschilderten Massnahmen, die tiefe Einschnitte im Unternehmen verursachen, erfordern (im institutionalen Sinne) ein fähiges Krisenmanagement. Dieses hat alle bestehenden Unternehmenspositionen in Frage zu stellen und darf sich nicht vor radikalen Gegensteuerungsmassnahmen scheuen. Benötigt wird vor allem eine qualifizierte und erfahrene Führungspersönlichkeit, die in der Lage ist, die Wende verantwortlich herbeizuführen. Je nach Rechtsform des Unternehmens sind bei der personellen Besetzung dieser Aufgabe Aufsichtsrat beziehunsgweise Beirat, Anteilseigner und/oder Hausbanken aufgerufen. Die Berufung eines alleinigen Top-Managers wird nach innen und aussen als Zeichen gewertet, dass die Krisensituation erkannt ist und Wendemassnahmen ergriffen werden.
Vorzüge kleiner Sanierungsteams
Zweckmässigerweise wird sich der so installierte, alleinige Krisenmanager ein Sanierungsteam aus geeigneten unternehmensinternen Leistungsträgern zusammenstellen. Gegebenenfalls muss wegen der Komplexität der zu lösenden Probleme auch auf Persönlichkeiten ausserhalb des Unternehmens, zum Beispiel Interimsmanager, zurückgegriffen werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Effektivität und Schnelligkeit bei der Durchführung der Krisenbewältigung am besten durch ein Team gewährleistet werden, das sich aus höchstens 5 Personen zusammensetzt. Dieser Kreis muss vor allem sichtbar an den Erfolg der Wende glauben, einen hohen Arbeitseinsatz akzeptieren, das Unternehmen oder die Branche kennen, in sachlicher und persönlicher Hinsicht bei der Belegschaft vermittelbar sein, über Linienerfahrung und Durchsetzungsvermögen verfügen und komplexe Situationen schnell erfassen und analysieren können. Von besonderer Bedeutung für das Gelingen einer Wende ist die umfassende Information der Mitarbeiter über die krisenhafte Situation im Unternehmen und über die vorgesehenen Massnahmen zur Bewältigung. Die Mitarbeiter in Krisenunternehmen werden schnell von Verunsicherung, Vertrauensmangel und Abwanderungsgedanken erfasst. Der Zeitdruck, die Ungeduld der Beteiligten, insbesondere der Banken, des Beirats und der Anteilseigner, gewerkschaftliche Vorwürfe und negative Berichte in den (sozialen) Medien tun ein übriges. Die Auswirkungen derartiger Diskussionen auf die Belegschaft dürfen nicht verkannt werden. Angst um die persönliche Existenz blockiert den für eine erfolgreiche Wende unabdingbaren Motivationsschub. Die Mitarbeiter achten daher sensibel auf jeden Schritt des Wendeverantwortlichen und richten sich danach aus. Glaubwürdigkeit, Führungskraft und fachliche Qualifikation motivieren die Mitarbeiter gerade zu Beginn der oft schmerzhaften Wende. Verständnis für geplante Entlassungen, für Stilllegungen von Betriebsteilen oder Standorten kann bei all ihrer Dramatik für die jeweils Betroffenen nur erreicht werden, wenn klar dargelegt wird, dass damit und nur damit das Unternehmen wieder nachhaltig in die Ertragszone gelangen kann.
Eine Krisensituation erfordert kurzfristig Entscheidungen, die wiederum aussagefähig vorbereitet sein müssen. Bewährt hat sich dabei die Bildung von Projektgruppen, die vom Wendeverantwortlichen eingesetzt werden und zunächst diesem und seinem Wendeteam berichten. Gerade die Arbeitsweise in Projektgruppen baut in bedrohten Unternehmen das vorhandene Misstrauen und die oft geübte Zurückhaltung ab. Wenn sich dann bereits erste, wenngleich noch so geringe Erfolge abzeichnen, wächst die Bereitschaft, die Wende. Annahme von Projektaufgaben geht mit der Übernahme von Verantwortung einher, die wiederum auf der neutralen Seite das positive Gefühl erzeugt, massgeblich an der Sanierung des Unternehmens mitzuwirken.
Bei der Entscheidung für eine projektmässige Organisation der Krisenbewältigung werden alle Aktionen entsprechend geplant, umgesetzt und kontrolliert. Das Wendeteam legt die Gesamtziele fest und vereinbart daraus Teilziele mit den jeweiligen Projektverantwortlichen. Diese Teilziele sollen eindeutig und realistisch sein. Dasselbe gilt auch für die festzulegenden Termine der Zielerreichung. Parallel dazu erfolgt eine projektangepasstre Zuteilung der in Krisenzeiten knappen Potenziale an sachlichen, personellen und finanziellen Ressourcen.
Jedes Projekt unterliegt einer konsequenten Überwachung im Soll-Ist-Vergleich, wobei die Einhaltung der Zeitachse im Vordergrund steht. Bei Abweichungen sind nach Möglichkeit Korrekturmassnahmen einzubeziehen, um den Wendeprozess nicht nachhaltig zu gefährden. In der Praxis hat sich zur systematischen Überwachung der Einzelprojekte die Einführung eines Management-Kalenders bewährt. Dieses die Erfolgskontrolle unterstützende Informationspapier beinhaltet eine Auflistung der einzelnen Massnahmen, der Terminvorgaben, der Soll-Ist-Abweichungen und der jeweils verantwortlichen Personen. Daraus kann sich das Wendeteam aktuell über den Stand der Wendemassnahmen unterrichten. In der Spalte Bemerkungen sind zum Beispiel die Gründe für Abweichungen einzutragen oder der Vermerk erledigt einzufügen. Anhand des Management-Kalenders ist das Wendeteam jederzeit – wenn erforderlich – in der Lage, situationsgerecht einzugreifen.
Zeitnahe Erfolgskontrolle
Die Ist-Auswirkungen aus den projektmässig geplanten Massnahmen sind nun in die bereits vorliegenden Planbilanzen und Plangewinn- und -verlustrechnungen, sowie die Liquiditätspläne periodisch einzubeziehen. Tatsächlicher Aufwand und Ertrag für die jeweiligen Projekte lassen sich mit den Sollvorgaben monatlich oder quartalsweise abgleichen und daraus die Erfolgsaussichten für die Wende ablesen. Damit ist eine zeitnahe Erfolgskontrolle gegeben. Auf der Grundlage der vorgestellten Instrumente sollte das Wende-Management alle am Krisenunternehmen interessierten und beteiligten Seiten, nämlich die Stakeholders, permanent und umfassend über den Wendeprozess unterrichten. Dadurch wird neues Vertrauen in das Unternehmen geschaffen. Banken, Lieferanten, Kunden, Anteilseigner, Arbeitnehmer und ihre gewerkschaftlichen Vertreter sichern durch positives Verhalten die zum Erfolg führenden Wendemassnahmen ab. Nach einer unfreiwilligen Reengineering-Phase erhält damit das Unternehmen die Chance zu einem Fortbestand in einer gesicherten Zukunft.
Auch wenn nicht alle Social Media Aspekte in der teilweise wünschenswerten Tiefe behandelt werden, lässt sich feststellen, dass diese Beschreibung einer idealtypischen Sanierung durchaus geeignet ist, als Leitfaden für das eigene Unternehmen herangezogen zu werden.