Über einen Mangel an Veränderungen können sich die meisten Unternehmen in jüngster Vergangenheit nicht beklagen. Ganz im Gegenteil. Mit dem Wandel wächst allerdings nicht die Kreativität, sondern das Gefühl der Überforderung – und die Innovationskraft schwindet. Denn auch Organisationen haben Angst. Hierarchie suggeriert Sicherheit. Unternehmen, in denen Sicherheit und Kontrolle vorherrschen, funktionieren in der Regel eine lange Zeit ganz gut. Aber sie sind nicht kreativ. Wer innovativ sein will, muss selbstorganisierende Strukturen entwickeln. Auch die Firmengrösse ist nicht entscheidend. Jeder Konzern besteht aus Menschen. Aus Bereichen, Divisionen, Sparten, Abteilungen, Gruppen und kleinen Teams. Jede Einheit könnte sich selbst organisieren – sie kann es jedoch nicht, weil wir es nicht zulassen.
Die Hoffnung
Nur wenn Sie Schulmöbel, Zement oder Elektrokardiographen produzieren, wird Sie der folgende Beitrag nicht interessieren. Sind Sie hingegen, wie wohl die Mehrzahl der deutschen Unternehmen, mit anderen Produkten am Markt vertreten, so wird der digitale Wandel für Sie möglicherweise zu tiefgreifenden Veränderungen führen. Zukunftssicherheit erwächst aus der inneren Lebendigkeit eines Unternehmens; aus dem vorbehaltlosen Engagements jeden einzelnen Mitarbeiters. Nur Unternehmen, wo die Heterogenität der einzelnen Mitarbeiter-Persönlichkeiten anerkannt und genutzt wird, haben Chancen im rasanten Wandel der Geschäftsmodelle. Damit rückt der Geist eines jeden Unternehmens, das Betriebsklima oder, anforderungsorientierter ausgedrückt, das Leistungs- und Lernklima eines Unternehmens, in den Vordergrund. Jede Branche, jedes Unternehmen hat stets zwei entgegengesetzte Möglichkeiten, auf den Wandel von Rahmenbedingungen zu reagieren: entweder man wartet ab, zögert und reagiert erst, wenn eine Entscheidung unausweichlich geworden ist, oder man formuliert Optionen, ergreift Chancen und stellt sich offensiv (s)einer strategischen Herausforderung. Denn Technik und finanzielle Potenz allein können den Erfolg eines Unternehmens nicht sichern. Ganz entscheidend kommt es auf die Mitarbeiter an; ohne deren Engagement aufgrund einer hohen Motivation lässt sich kein Unternehmen führen. Die Rolle des Menschen und der Stellenwert der human ressources im digitalen und virtuellen Unternehmen wird immer wichtiger. Mit dieser zunehmenden Einsicht der Führungskräfte und der Mitarbeiter in die eigenen Kernkompetenzen wächst auch ihre Freiheit, neue Geschäftsfelder zu entdecken und bestehende in Frage zu stellen.
Die Sackgasse
Ein Unternehmen, das mit einer Erfindung das Geld einspielen will, das es in den Entwicklungsprozess gesteckt hat, ist vermutlich gut beraten, sich auf kleinere Verbesserungs- oder Anwendungsinnovationen zu konzentrieren. Denn Innovationen, die weit über das hinausgehen, was der derzeitige technische Stand ist, erfordern sehr hohe Anpassungskosten – auf Seiten der Industrie und der Nutzer. Fortschritt bewegt sich nicht von Erfolg zu Erfolg. Er entsteht durch ein irres Rumsuchen, mit ganz vielen Seitenpfaden, die plötzlich im Nichts verlaufen oder versanden. Auch auf die Gefahr hin, dass es sich wie eine Glückskeks-Weisheit anhört: das ist nun mal der Preis, den man für Erfolg zahlen muss. Das ist doch vor allem ein Zeichen von einer enormen Vielfalt und auch Offenheit in der eigenen Organisation. Und so manche Erfolgsgeschichte beginnt mit einem Ende. Nach dem Scheitern. Vom Besinnen auf das eigene Können. Und vom Mut zum Aufgreifen einer besseren Technologie.
Wie verbreiten sich Fehler in einem System? Denn Innovationen sind das Gegenteil von Robustheit. Sie waren nicht das Ziel. Erst wer detailliert alle Fragen beantwortet, bekommt am Ende eine Innovation, die wirklich passt. Der Aufbau von Wissen und der Wissenstransfer sind fester Bestandteil jeder Unternehmenskultur. Denn Neues entsteht auch durch einen neuen Blick oder durch die Verknüpfung von Vertrautem und Fremden. Innovation erfordert Kreativität und Ausdauer, die Kombination aus Alt und Neu, die Verknüpfung unterschiedlicher Disziplinen und Wissensgebiete, eine gesunde Balance aus Erfahrung und Exploration, den Mut zum Risiko, zur Kurskorrektur oder gar zum Kurswechsel, Einsicht und Vision, Neugier und Leidenschaft und nicht zuletzt eine Kultur, die all das möglich werden lässt. Denn der Innovationsmotor kann an jeder Stelle einrosten. Tatsächlich stehen sich die meisten Unternehmen selbst im Weg. Erfolge der Vergangenheit, Routinen, eingespielte Prozesse, nicht mehr gestellte Fragen, traditionelle Zuständigkeiten, der starre Blick nach innen, die Fokussierung auf Technologie und bewährte Geschäftsmodelle – es gibt eine Reihe von Faktoren und Verhaltensweisen, die eine Organisation in ihrer Entwicklung behindern können. Sicher ist nur: gerade dort, wo ein Unternehmen bislang erfolgreich war, lauert häufig Gefahr. Denn Erfolg droht bekanntlich blind zu machen. Denn was gestern richtig war, kann heute falsch und morgen fatal sein.
Innovationen lassen sich nur selten im bestehenden Geschäftsmodell verwirklichen, da für die neue Technologie meist ganz andere Erfolgsfaktoren gelten als für die ausgereizte. Technologiephase und Geschäftsmodell müssen zueinander passen. Wird eine neue Technologiekurve begonnen, muss sich F&E beispielsweise auf die Vorfeldentwicklung konzentrieren, statt an der Variantenentwicklung und der Kostenreduktion bei vorhandenen Produkten zu arbeiten. Im Einkauf müssen neue Einkaufsquellen erschlossen und die Fertigungstiefe reduziert werden. In der Produktion sind vollkommen neue Fertigungsmethoden zu entwickeln, gegebenenfalls sind alte Kernfertigungen (wie zum Beispiel Giessen und Schmieden oder Metallbearbeitung) aufzugeben, die Beherrschung der Abläufe ist eine zentrale Frage. Auch Marketing und Vertrieb müssen über neue Vermarktungsstrategien und zusätzliche Vertriebskanäle nachdenken. Unternehmerisches Verhalten und Engagement der Mitarbeiter fördern innovative Unternehmen durch eine integrierte Arbeitsweise und eine gezielte Personalauswahl. Rezepte für einen kontinuierlichen Erfolg und für die Schaffung eines insgesamt überlegenen, innovativen Unternehmens sind der Verzicht auf die tayloristische Trennung der Unternehmensfunktionen und das gezielte Setzen auf Qualität statt Quantität. Erfolgreiche Unternehmen wissen, dass Innovationen kein Glücksfall sind, sondern das Ergebnis von Innovationsfähigkeit – der Fähigkeit, kontinuierlich und systematisch neuen Kundennutzen zu schaffen und zu vermarkten.
Die Notbremse
Wer wagt gewinnt. Manchmal. Ob ein Entwicklungsprojekt erfolgreich sein wird, lässt sich am Anfang so wenig vorhersagen wie die Kosten, die auf dem Weg von der ersten Idee zum fertigen Produkt entstehen. Deshalb macht es wenig Sinn, von vornherein den Wert einer Innovation genau berechnen und ihren Erfolg im Detail kalkulieren zu wollen. Ein ähnlicher Glaubenssatz lautet: wir kennen uns aus, wir wissen, wie unser Geschäft funktioniert. Auch diese Gewissheit kann trügerisch sein. Wer Neues entwickeln will, braucht deshalb Techniken, die über die bekannten Methoden wie Befragung und Fokusgruppen hinausgehen.
Wenn der Innovationsversuch zudem nicht das hält, was er versprach, ist das für alle Beteiligten zutiefst frustierend. Da wurde unheimlich viel Geld, Energie und Lebenszeit in etwas investiert, das sich am Ende als Nullnummer erweist. Gerade deshalb plädieren wir bei Westaflex beim Thema Innovation für Offenheit. Denn wenn alle Welt immer nur über Erfolge spricht, gibt das ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wieder. Der einzelne Fehlschlag erscheint dann wie ein Weltuntergang. Daran ändert sich auch nichts, wenn das hohe Risiko, mit einer Innovation zu scheitern, permanent negiert wird. Natürlich kann und muss man seine Hausaufgaben machen. Unternehmen können durchaus für möglichst gute Rahmenbedingungen sorgen. Dazu zählen flache Hierarchien, Transparenz, Qualifizierungsmassnahmen, kurze Dienstwege, Autonomie, klare Strategien und alles, was hilft, vorhandenes Wissen zu mobilisieren und den Ideenaustausch unterschiedlichster Abteilungen zu fördern – letztlich eben alle Mittel des klassischen Innovations-Managements. Im Nachhinein oder von aussen betrachtet, sieht man die Dinge immer klarer.
Die Chance
Manchmal geben Rockbands Unplugged-Konzerte, bei denen die Bandmitglieder ausschliesslich auf akustischen Instrumenten spielen, ganz ohne elektrischen Strom. Weil sie zeigen wollen, dass sie auch ohne Verstärker, Verzerrer und sonstige Effektgeräte auskommen. Dass sie wirklich spielen können, also handwerklich etwas draufhaben.
Die meisten Unternehmen sind davon überzeugt, dass es klug ist, ihre Forschung im eigenen Haus zu machen. Dabei gibt es einen gewaltigen Markt für gute Ideen und Technologien, die ein Unternehmen kaufen kann wie andere Zulieferteile auch. Zudem gilt Innovation häufig als das Metier gebildeter und kreativer Köpfe, denen man nur genügend Geld und Freiraum zur Verfügung stellen muss, damit die Ideen aus ihnen heraussprudeln. So einfach ist es leider nicht. Häufig sind die herkömmlichen Prozesse und Strukturen des eigenen Unternehmens nicht geeignet, eine Innovation zu vermarkten. Das Neue richtet sich an neue Kunden und neue Segmente, oft ist nicht einmal die genaue Zielgruppe klar. Bei einem verbesserten Produkt liefert der Referenzpreis eines vergleichbaren Angebots die Basis zur Orientierung. Wer oder was aber bildet die Preisreferenz für eine Durchbruchs-Innovation?
Weil wir wissen, dass Innovation Zeit braucht. Und ein Produkt nie fertig ist – auch wenn es gerade perfekt erscheint. Kein Zweifel, die weiche Ware wird immer kostbarer. Der Handel von Wissen ist der nächste Schritt in der Evolution von Unternehmen. Früher haben wir gesagt, wir können alles selber erfinden. Aber mit einer Lizenz bekommt man know-how für weniger Geld. Wer den Wert von Wissen zu schätzen weiss, lehnt fremde Innovationen nicht mehr mit einem not-invented-here ab. Stattdessen heisst es bei uns inzwischen proudly-found-elsewhere, wenn es um Problemlösungen von aussen geht.
Die Entscheidung
Innovationen werden aus Wissen gemacht, und dazu muss Wissen fliessen. Wie schafft man das in einer Organisation, in der Abteilungen, Bereiche und Hierarchien traditionell Gräben und Grenzen ziehen? Der Begriff Spaghetti-Organisation zeigt es auf! Und ganz wichtig: wie viel Unterstützung wofür ist überhaupt gewollt? Zum Wohle des Unternehmens.
Beim alten Prinzip der Standplatzmontage beispielsweise, standen die Maschinen bis zur Auslieferung an einem Platz, um den sich wochenlang alles sammelte. Spagetti-Diagramm nennen wir das frühere Gewirr von Linien, die die Bewegungen von Menschen, Material und Informationen um die Maschinen herum nachzeichnen. Das wirre Netz zeigt eine Komplexität, die auf verschiedene Weise bekämpft wurde. Zum Beispiel durch das Anlegen von Angstbeständen – einem eisernen Vorrat an eigentlich überflüssigem Material, das im Zweifel für eine spontane Problemlösung reicht. Dennoch gab es viel Leerlauf und Improvisationen. Wenn der Monteur heute dasselbe Problem im Zwei-Stunden-Takt hat, ruft er irgendwann beim Lieferanten an und sagt: die Bohrung muss um zehn Millimeter nach links. Der Problemlösungsdruck ist heute höher und betrifft alle.
Die Diagnose
Nehmen wir die überlegene Konkurrenz: kein Unternehmen weiss genau, woran in den Entwicklungslaboren der Wettbewerber gerade geforscht wird, es sei denn, es betreibt Industriespionage, aber das ist – hoffentlich – keine dauerhaft Lösung. Es kann also durchaus sein, dass mein Unternehmen ein neues Produkt auf den Markt bringt und ein Mitbewerber einfach schneller oder besser war. Manchmal hat ein Konkurrent auch einfach mehr Marktmacht und kann allein durch gutes Marketing die Innovation des anderen verhindern. Ein Beispiel aus der Wirtschaftsgeschichte: zeitgleich mit dem Elektrokühlschrank wurde der Gaskühlschrank entwickelt. Zum damaligen Zeitpunkt war Letzterer dem Elektrokühlschrank eindeutig überlegen: er brummt nicht, hat niedrigere Unterhaltungskosten, ausserdem gab es in den Haushalten wesentlich mehr Gas- als Elektroanschlüsse. Trotzdem setzte sich am Ende der Elektrokühlschrank durch. Warum? Weil hinter dem Elektrokühlschrank die grossen Elektrokonzerne standen. Die hatten einfach mehr Marktanteil als die Erfinder des Gaskühlschrankes. Das Neue ist eben neu – und in all seinen Konsequenzen nicht absehbar.
Die Rettung
Innovationen sind unser Lebenselixier. Wieviel Innovation wollen wir uns überhaupt zumuten? Wie nötig ist sie? Und ganz wichtig: was passiert, wenn nichts passiert? Daraus ergibt sich, dass Innovation nicht kostenlos zu haben ist. Die Vielfalt der Gedanken, die Innovationen hervorbringen, schmälert die Effizienz – trägt aber reiche Früchte der Anpassungsfähigkeit. Alle reden von Innovation – und betreiben Imitation. Wer immer nur dem Vordermann nachrennt, wird niemals Erster. Der Traum ist alles, die Technik ist nichts, die kann man lernen.
Ein Beispiel für die Übertragung von Kernkompetenzen von einem Bereich auf einen ganz anderen findet sich in der Musikgeschichte im Köchelverzeichnis, abgekürzt KV, dem chronologisch-thematischen Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Mozarts. Ludwig Ritter von Köchel (1800 bis 1877), der in Nachschlagewerken als Musikexperte genannt wird, war in Wirklichkeit Professor für Botanik und Mineralogie, der naturwissenschaftliche Methoden für die Klassifizierung von Tonwerken benutzt hat. Kernkompetenzen sind, integrierte und durch organisationale Lernprozesse koordinierte Gesamtheiten von Technologien, Know-how und Prozessen, die schwer imitierbar sind und den Kunden, aber auch den übrigen Stakeholders Nutzen und Werte bieten. Ein häufiger Fehler ist die Konzentration allein auf die Neuentwicklung von Produkten – auch Prozesse können innovativ sein und den Kundennutzen deutlich erhöhen, etwa in Industrien, in denen der Preis das Hauptkaufkriterium ist. Marketing und Vertrieb kennen sich bis ins Detail mit der vorhandenen Produktpalette aus, das neue Produkt ist ihnen jedoch so fremd wie dem Kunden.
Studieren ist gut, Reden ist besser
Warum sollte nun der junge Facharbeiter im Unternehmen übertriebene Kooperationsbereitschaft an den Tag legen? Verlangen wir da nicht zuviel von ihm? Sind die Lernmuster der berufsorientierten Menschen hier nicht schon allzu stark verfestigt? Reichen die Anreize aus, um die im menschlichen Verhalten vorhandenen Ansätze zur Zusammenarbeit zu belohnen? An dieser Stelle zeigt sich die positive Sauerteig-Wirkung von Innovationen. Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit ist Wissen. Wissen wird individuell erworben und gepflegt. Es bildet die Basis dafür, dass die Mitarbeiter sich orientieren, dass sie Stellung beziehen und dass sie Einfluss ausüben können. Der Wissensschatz gibt ein Gefühl der Sicherheit zur Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Aufgaben (Wissen ist Macht). Innovationen bedeuten jedoch, gewohnten Boden zu verlassen, neue Wege zu gehen und herkömmliches Wissen gegebenenfalls zu verwerfen. Angstfreiheit ist die Voraussetzung für ein Loslösen von gewohnten Denkschemata. Innovative Unternehmen sollten sowohl den Ideen- und Informationsfluss von unten nach oben (innerhalb eines Bereiches), als auch in horizontaler Richtung (innerhalb der Gesamtorganisation) fördern, so dass ein Informationsnetz entsteht. Aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen kommt es bei gleichen Anreizen zu andersartigen Reaktionen und Motivationen darauf (Hemmnispyramide). Die leicht beeinflussbaren Hemmnisarbeiten liegen unten, die schwerer beeinflussbaren oben. Der Abbau der Hemmnisse von unten nach oben kann mit folgenden Gedanken beschrieben werden: Was man nicht kennt, das kann man nicht; was man nicht kann, das wagt man nicht; was man nicht wagt, das will man nicht; und wer nicht will, der handelt nicht oder anders, als man es sich wünscht.
Der Abbau dieser Hemmnisse im Eiweiss-Computer kann eine ganze Industriestruktur verändern: grosse Mischpulte in Tonstudios etwa basierten lange Zeit auf analoger Technik. Im Markt tätig waren viele kleine, zum Teil auf einzelnen Anwender, wie im Fall Radiosender, spezialisierte Unternehmen. Die Industrierendite tendierte gegen Null. Gute Analogtechnik war nach Meinung der Betreiber genauso gut wie die seinerzeit neu aufkommende digitale Technik; bei physikalischen Parametern, wie Signal-Rausch-Verhältnis, Grundrauschen und Phaseneinheit schnitten beide Technologien gleich ab. Zudem waren die digitalen Mischpulte am Anfang sehr viel teurer als die analogen. Und doch setzte sich die digitale Technik sehr viel rascher durch als angenommen. Sie wies nämlich, wie sich zeigte, ganz neue Leistungsmerkmale auf, die die analoge Technik nicht bieten konnte, beispielsweise flexible Konfiguration und Speichermöglichkeit. So führte die Speicher-Option dazu, dass sich die Produktivität der Studios deutlich erhöhte. So war es jetzt möglich, mit einem einzigen Mischpult morgens mit der Aufnahme einer Sinfonie zu beginnen, abends Rockmusik aufzunehmen und am nächsten Morgen wieder mit der Sinfonie weiterzumachen. Da sich die Digitaltechnik wegen der hohen Anfangsinvestitionen nur wenige Anbieter leisten konnten und die speziellen Anpassungen an die individuellen Kundenwünsche relativ preiswert über Software-Änderungen bei gleicher Hardware erzielt werden konnten, kam es zu einer Konzentration des Wettbewerbs, die Industrierendite erhöhte sich auf über 7 Prozent. Innovationen beschränken sich also nicht ausschliesslich auf Technik, sie sind in Arbeitsorganisationen und -abläufen oft besonders erfolgreich.
Der Mitarbeiter ist so wichtig wie der Kunde
Alles Neue birgt Gefahren (möglicher Verlust von Besitzständen, unvorhersehbare Folgen unüberschaubarer Technik et cetera). Diese German Angst wird individuell empfunden und interpretiert, so dass die Reaktionen auf Innovationen von Person zu Person sehr unterschiedlcih sein können. Mit TTIP und Privacy-Shield wird sich m.E. der weltweite Wettbewerb um Standorte und damit um Arbeitsplätze weiter verschärfen. Da das Lohnkostenniveau in Deutschland eine Spitzenstellung einnimmt, wird sich der Digitalisierungsdruck auf deutsche Unternehmen wesentlich erhöhen. Sie müssen sowohl ihre technischen Potenziale mobilisieren (High-Tech), als auch durch eine bessere Organisation und Motivation die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter weiter fördern (High-Org). Ein betriebliches Vorschlagswesen kann die Ideengewinnung aktiv unterstützen. Willensbarrieren können sich zum Beispiel äussern durch: Gleichgültigkeit gegenüber dem Betriebsgeschehen, mangelnde Einsatzfreude, Informationszurückhaltung, erhöhte Fehlerquoten, Absentismus, Bereichsdenken, Schubladendenken, Nicht-von-mir-Effekt oder innere Kündigung.
Ein Schritt zurück, zwei nach vorn
Alle strategischen Vorschläge können letztlich an der Messlatte Finanzierung scheitern, kommt doch dem zukünftigen Industrie4.0-Finanzierungsrahmen eine besonders grosse Bedeutung zu. Die neuen zukünftigen Märkte können nur mit Innovation, mit ständig besseren Produkten und Dienstleistungen und dem entsprechenden Service erobert werden. Die Frage, ob Eigenleistung oder Fremdbezug, wird in einem globalen Binnenmarkt anders beantwortet werden müssen als vorher. Ein bekanntes Beispiel sind die Grundstoff-Industrien. Auch wer die Digital-Euphorie mancher Politiker nicht teil, sollte die Zeit, die bis zur endgültigen Umsetzung noch verstreichen wird, nicht ungenutzt lassen, sondern für die eigene Positionsbestimmung verwenden. Innovation zeigt: Der Mensch wird zum zentralen Wettbewerbsfaktor, das Thema zum Nukleus der neuen Organisation, das Lernen bezieht sich nicht mehr ausschliesslich auf individuelle Qualifikation und Kompetenzen, sondern auf interindividuelle Zusammenhänge und organisatorische Netzwerke und Kontexte. Institutionell wie auch inhaltlich wird Innovation für mich damit zur zentralen Herausforderung des Managements betrieblichen und digitalen Wandels, sowohl auf der Ebene von Organisationen, als auch auf der Ebene von Personal und Qualifikation.
Arbeitsplatz, Arbeitszeit, Alltag – Innovation geht überall
Natürlich ist die Substitution von Arbeit durch Kapital auch eine politische und gesellschaftliche Herausforderung. Dabei wird von den Politikern und Tarifparteien noch viel zu leisten sein. Die Erwerbsgesellschaft befindet sich in einem allmählichen Übergang hin zur Freizeitgesellschaft. Parallel zum ökonomischen und technologischen Wandel vollzieht sich ein nicht weniger gravierender sozialer Wandel und Wertewandel. Schliesslich ist noch ein dritter Faktor zu nennen, der für international tätige Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat: die Eigendynamik, welche die Kapitalmärkte seit einiger Zeit entwickelt haben, hat deutliche Folgen für die Budgetplanung der Unternehmen, ebenso wie kundenspezifische Präferenzen, die jeweiligen Preispolitiken und das gesellschaftliche Umfeld. Networking, Eigenverantwortung, Engagement, Sozialkompetenz, Leistung. Und Dynamik. Sie steht letztlich für die Fähigkeit, neue Projekte zu erkennen, anzuschieben und zum Erfolg zu treiben.