Allein mit Made in Germany kommt man nicht weit. Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen Werthaltung von Führungskräften und Mitarbeiter-Profitabilität andererseits. Aktionismus und gegenseitiges Misstrauen im Unternehmen zählen zu diesen Faktoren. Als besonders nachteilig für die Profitabilität erweisen sich auch ein autoritärer Führungsstil und der Versuch, an Bewährtem festzuhalten. Eine Anatomie work smart statt work hard stellt die laufende IBM Blogparade dar.
Wie Unternehmen den notwendigen Wandel erreichen – das Leitbild Japan. Die Japaner machen aus den Firmen, auch in ihren Unternehmen in Übersee (Transplants), tendenziell überwiegend eine Sinn-Gemeinschaft, während für die Deutschen das Unternehmen mehrheitlich eher eine Zweck-Gemeinschaft darstellt. Das sind zwei Grundprinzipien, die sich diametral gegenüberstehen.
Miteinander statt Gegeneinander. Teamkonzept, kontinuierlicher Verbesserungsprozess und neue Unternehmenskultur sind organisatorische Lösungsversuche seitens work smarter für das Dilemma zwischen hoher und steigender Kapitalintensität (Industrie4.0) einerseits, wachsender Flexibilitätsanforderungen durch Kunden und Mitarbeitern (Arbeiten4.0) andererseits. Wenn die Unternehmen die Qualifikation und Motivation der Facharbeiter im Rahmen neuer Personalkonzepte stärker nutzen wollen, dann ist dazu eine Rücknahme überspitzter Arbeitsteilung und ein Abbau von Hierachien notwendig. Die Ansprüche an qualifiziertes Arbeiten, das Interesse an ökologisch und sozial akzeptablen Produkten machen Prozess- und Produkt-Innovationen notwendig.
Veränderung beginnt ganz oben
An der Spitze vieler Unternehmen steht in Japan übrigens eine Frau, die für enorme Geschäftsmodell-Impulse und Prozess-Innovationen sorgen. So etwa beim Art Moving Center, dem frühzeitig klar wurde, dass Möbelbeförderung bislang nur ein halbherzig betriebenes Geschäftsmodell war. Unter dem Slogan: Hausfrauen: Packt doch nicht selber an – bestand die zusätzliche Dienstleistung zunächst darin, tatsächlich alles und jedes in der Wohnung des Kunden aus dem Schrank oder Regal zu nehmen und zu verpacken. Mit dem Slogan: Lasst das Ungeziefer nicht mitumziehen – kam Prozess-Innovation hinzu. Da Japan durch sein feuchtwarmes Klima und die leichte Bauweise vieler Häuser recht Ungeziefer-anfällig ist, besteht die Innovation darin, die Umzugscontainer so zu versiegeln, dass sie während der Fahrt vergast werden können. Unter dem Namen Traum-Salon 21 wurde jetzt ein Doppeldecker-Umzugscontainer eingeführt. Oben ist ein Salon eingerichet, in dem die gesamte Familie den Umzug nicht nur begleitet, sondern sogar geniessen kann. Hydraulische Hebegeräte erlauben es, den Umzugscontainer aussen am Haus bis in die Höhe eines Fensters oder Balkons im dritten Stock hochzustemmen und so die Ausladearbeit drastisch zu verkürzen, ohne Schäden im Treppenhaus oder an den Möbeln zu verursachen. Personal wird abgestellt, um am Zielort kleinere Umbau- und Anschlussarbeiten vorzunehmen. So werden auch Antennen abgebaut oder neu montiert. Schliesslich übernimmt das Unternehmen zu einem Pauschalpreis die Ab- und Anmeldung von Strom, Gas, Wasser bis hin zur Tageszeitung. Hinzu kommt, dass das Unternehmen es geschafft hat, im ganzen Land überall die gleiche Telefonnummer zu erhalten. Diese Nummer ist auch in grossen Zahlen auf sämtliche Container gemalt, so dass das Art Moving Center für die meisten Japaner als 0123-Möbelspedition gilt. Den wirklichen Firmennamen kennen die meisten nicht. Bis heute sind die Kapazitäten rund ums Jahr ausgebucht. Etwas anderes kommt hinzu: in zunehmend mehr Fällen wird lediglich der Familienvater von seinem Arbeitgeber an einen neuen Einsatzort geschickt. So klein solche Umzüge auch sein mögen, das Unternehmen kann sie mit anbieten. Märkte werden so eingehend analysiert und so weit segmentiert, dass der Anbieter hier als Quasimonopolist agieren kann. Was einst noch über Varianten abgedeckt werden konnte, erfährt eine neue Differenzierung: Umzug mit Anmut und Lebensgefühl. Die Suche nach Einzigartigkeit ist überall in Japan spürbar und in vollem Gang. Der Trend scheint immer mehr darauf hinauszulaufen, Leistungen hier und jetzt bereitzustellen. Unternehmensziele sind in Japan traditionell eindeutig definiert als langfristiges Überleben, das durch eine möglichst weitreichende Marktdominanz gewährleistet werden sollte. Diese wird als Grossteil der Marktanteile und Preisführerschaft operationalisiert und wird für Produktmärkte ebenso erstrebt wie für Komponenten.
Leitbild Japan
In Zeiten des Abschwungs entdecken hierzulande Unternehmen die Bedeutung ihrer Kunden. Genauso wichtig ist die ökologische Dimension: während Materialwirtschaft und Produktionsprozesse betriebswirtschaftlich nach japanischem Vorbild optimiert wurden, bleiben Umweltaspekte für mich im Konzept der Lean Production unterbelichtet. Der Abbau von Verschwendung und unsere ökologische Erneuerung der Industriegesellschaft beginnt im Betrieb. Notwendig ist im Vergleich mehr Raum für Ideen, zum Beispiel im Rahmen von Gruppengesprächen und Verbesserungsvorschlägen auch zu den Themen Stoffkreisläufe und Folgewirkungen der Produkte. Während man in Japan auf diese Herausforderung schon vor langer Zeit reagierte, waren in Europa bis vor kurzem ökologische Massnahmen die Ausnahme (noch heute hat Brüssel keine Kläranlage). Die Umwelt, historisch als Feind betrachtet, wird nur bedeutsam, wenn sie unterzugehen droht. Der Mensch muss gegen die Natur kämpfen, sie besiegen. So sind zum Beispiel die europäischen Gärten geometrisch angelegt – wohlgeordnet, geradlinig, übersichtlich. Die japanische Methode versucht hingegen, die Essenz der Natur darzustellen: auf kleinem Raum wird die Schönheit und Harmonie des Ganzen gestaltet. Jeder Baum, jeder Strauch, jeder Teich ist anders und doch vollkommen – die Sammlung individueller Perfektion schafft Harmonie und Schönheit. Der Widersinn zwischen Mensch und Umgebung, zwischen Technik und Natur, zwischen Mensch und Gesellschaft wird in Japan nicht so empfunden, wie in Europa. Weder will man die Natur zerstören, noch sehnt man sich nach einem Nirwana in Feld und Wald. Man sieht die ewige Wiederkehr der Jahreszeiten, das jährliche Blühen und Vergehen der Kirschblüten, die Harmonie zwischen sich und der Welt. Für die japanische Gesellschaft ist technischer und wirtschaftlicher Fortschritt deshalb nicht so gefährlich, schädlich oder bedrohend. Während in Japan schon Grundschulklassen zu technischen Ausstellungen strömen und Kinder eine positive Einstellung zu (MINT-)Technologien haben, wachsen Jugendliche in Deutschland mit Angst und Sorge vor technologischem Fortschritt und Mathematik heran.
Verbesserung in allen Abteilungen
Unerwartet ist das zur Zeit am häufigsten verwendete Adjektiv von Unternehmensführern, wenn sie die Geschäftsentwicklung der letzten Monate charakterisieren. Dazu gehört die Beseitigung der überlebten Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten, sowie eine Gehaltsspreizung vom Arbeiter bis zum Vorstand, die eher bei einem Verhältnis 1 zu 8, als bei 1 zu 20 wie in Deutschland liegt. In beiden Fällen separat zu den zusätzlichen Executive Perks, die Golfmitgliedschaften, Gratisaktien und Dienstwagen mit Chauffeur einschliessen. Hier könnten wir in der Tat von Japan lernen. Es geht, kurz gesagt, um eine Reorganisation der Machtverteilung im Betrieb. Vielen Amtsinhabern und Verbandsjuristen geht dieser Vergleichs-Aspekt und demokratischer Gedanke (noch) zu weit. Wer beklagt, dass das Interesse der eigenen Mitarbeiter als Schatzwart im Tennisklub oder Fussballverein, als Mitarbeiter im Naturschutzbund oder in der Bürgerinitiative grösser ist als im Betrieb, der muss auch den Raum dafür schaffen. Mal sind es sonst die Löhne und Arbeitszeiten, mal Qualitätszirkel, dann Just-in-time oder die niedrige Fertigungstiefe, Kaizen oder Lean Production, die Nippons Durchmarsch auf den Weltmärkten erklären. Deshalb bin ich der Auffassung, dass der einzelwirtschaftliche Ansatz in eine gesamtwirtschaftliche Reformperspektive eingebettet werden muss. Neben High-Tech (Industrie4.0) bitte auch High-Org (Arbeiten4.0) als Qualified in Germany nachahmen. Denn in weiten Bereichen der Schlüsseltechnologien sind die Innovationszyklen bereits heute kürzer als die Ausbildungsdauer für entsprechend qualifizierte Mitarbeiter.
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