Benchmarking kann als die „Suche nach branchenübergreifenden besten Lösungen, die zu überragenden Leistungen führen“, verstanden werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird im Rahmen des Benchmarking ein detaillierter Vergleich zwischen Unternehmen durchgeführt. Primäres Ziel dabei ist, durch den Vergleich mit den Besten bessere Methoden und Praktiken (Best Practices) zu identifizieren, zu verstehen und im eigenen Unternehmen zu adaptieren. Hierzu ist es notwendig, mit Hilfe ausführlicher Untersuchungen die Ursachen und „Möglichmacher“ (Enabler) für die Spitzenleistungen zu ergründen.
Das Besondere an Benchmarking ist also, dass es sich nicht um ein rein theoretisches Konstrukt handelt, sondern dass es durch seine betriebliche Anwendung lebt und damit auch schnell breite Akzeptanz in der Praxis findet. Die Leistungen des Besten (Best in Class), die den anderen Unternehmen als Benchmark dienen, sind bereits erreichte Ergebnisse und können daher auch für andere Unternehmen als realisierbare Ziele und Lösungswegen gelten.
Benchmarking ist keine einmalige Aktion, die nach der Durchführung abgehakt und danach ignoriert werden kann. Dem Selbstverständnis eines Selbstverbesserungsprozesses entsprechend muss Benchmarking ein kontinuierlicher Prozess sein, denn die Praktiken der Branchen ändern sich ständig, und die Branchenführer werden immer stärker. Insofern kann Benchmarking der erste Schritt auf dem Weg zum lernenden Unternehmen sein. In der Vollendung wird Benchmarking Bestandteil der Unternehmensphilosophie – wie etwa bei Westaflex – und dadurch zur Selbstverständlichkeit. Benchmarking ist allerdings kein Rezeptbuch, in dem man nachschauen kann und einfach nur die Regeln befolgen muss, um zum Erfolg zu gelangen.
Benchmarking ist selbst ein Prozess, der von vier Kernphasen gekennzeichnet ist: die Planungs- und Datenerhebungsphase, die Analysephase, die Integrationsphase und die Aktionsphase inklusive Rekalibrierung und Neustart des Benchmarking-Prozesses. Benchmarking ist also eine Methode, Lernfähigkeit und Wissen des Unternehmens durch systematische Informationsgewinnungund offenen Erfahrungsaustausch nach fairen Speilregeln zu steigern. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen, von dem alle Beteiligten profitieren. Um einen Mißbrauch der erhobenen Daten zu vermeiden, existiert ein von allen Benchmarking praktizierenden Unternehmen international anerkannter Ehrenkodex (Code of Conduct).
Breites Einsatzfeld
Bei der Wahl der Objekte einer Benchmarking-Untersuchung bestehen kaum Restriktionen: Prinzipiell können alle Objekte betriebswirtschaftlichen Handelns (wie etwa Produkte, Funktionen, Praktiken, Prozesse) einer Benchmarking-Analyse zugänglich gemacht werden. Doch welches Interesse haben gerade Spitzenunternehmen in OWL und im Bereich Web2.0 am Benchmarking? Warum sollten sie anderen Unternehmen, manchmal sogar Konkurrenten, durch die Preisgabe ihrer Methoden und Praktiken noch unterstützen? Die Situation ist mit der eines Leistungssportlers vergleichbar: Der „beste“ Läufer kann das rennen von Anfang an bestimmen und die Führungsposition einnehmen. Geht jedoch kein anderer Läufer sein Tempo mit, wird er zunehmend langsamer. Wenn er nicht darauf achtet, was hinter ihm geschieht, besteht zudem die Gefahr, dass er unvermutet überholt wird. Bildet sich hingegen eine Spitzengruppe, spornt sich diese gegenseitig zu Höchstleistungen an. Nur dadurch werden neue Rekorde möglich.
Konkurrenten nicht aus den Augen verlieren
Übertragen auf die regionale Wirtschaft, dürfen Unternehmen weder die direkte Konkurrenz noch die potenziellen Wettbewerber aus den Augen verlieren. Entwicklungen in der jüngsten Zeit haben gezeigt, wie schnell alteingessene Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden, wenn neue Wettbewerber in den Markt eintreten, die „Geschwindigkeit“ des „Rennens“ bestimmen und neue „Spielregeln“ aufstellen. Offenheit und Mut zum Vergleich können hier helfen, die Marktposition, langfristige Erfolge und kontinuierliche Verbesserungen der Leistungsfähigkeit zu sichern.
Benchmarking ist daher ein systematischer Ansatz, um gezielt über die Grenzen des eigenen Unternehmens zu blicken. Als Ergebnis sollen die entdeckten Best Practices im eigenen Unternehmen umgesetzt werden, um die eigenen Abläufe zu optimieren und kreative neue Ideen zu verwirklichen.
Realistische Ziele statt Utopien
Benchmarking hilft, ehrgeizige, aber realistische – da in der Praxis bereits erreichte – Ziele zu setzen. Zur betrieblichen Umsetzung von Benchmarking bieten sich grundsätzlich drei erfolgversprechende Möglichkeiten: als erstes die Teilnahme an einer offenen Studie, als zweites das Mitwirken in einem Benchmarking-Arbeitskreis oder als drittes die Durchführung eines Benchmarking-Projekts. Dabei nehmen Intensität, Ressourceneinsatz sowie Erfolgsaussichten in der zuvor beschriebenen Reihenfolge zu. Maßgeblich für eine effektive Ermittlung und Umsetzung von Benchmarking-Ideen im eigenen Unternehmen ist die richtige Wahl der Unterstützung. Fachkompetenz und Beratungsqualität der begleitenden Institution haben entscheidenden Einfluss auf den Erfolg.
Ist die Entscheidung für eine Benchmarking-Untersuchung gefallen, müssen sich die Benchmarking-Partner immer vor Augen halten, dass nun ein langwieriger und nicht immer geradliniger Prozess angestossen wurde, der ein beträchtliches Ausmass an Zeit und Geduld verzehren kann. Da die Beschäftigten aktiv an der Zielsetzung mitwirken, steigern sich Motivation und Leistung. Das „not-invented-here“ Syndrom und die psychischen Entkopplungswirkungen, die von aussen aufgesetzte, hochgesteckte Ziele häufig bewirken, werden hierdurch vermieden. Statt dessen werden die motivierenden und mobilisierenden Effekte selbst entdeckter und selbst erarbeiteter, durch „Augenschein“ als realistisch erwiesener Ziele und Lösungswege genutzt. Nichtsdestoweniger muss der Benchmarking-Prozess sichtbar das Top-Management unterstützt und begleitet werden.
Mit Benchmarking allein wird das Management nicht das Unternehmen zur Weltspitze führen können. Aber es kann der Ansporn und Startpunkt für einen zielstrebigen Weg nach oben sein.
Benchmarking bei Social Media
Gerade im Fall von Social Media Nutzung und im Management gewinnt das Thema Benchmarking zunehmend an Bedeutung. Die enormen Rationalsierungspotenziale, die im Umgang mit Social Media verborgen sind und durch Managementtoools an die Oberfläche gebracht werden sollen, sind Anreiz genug, sich der Herausforderung des Benchmarking zu stellen. Allein im Bereich Enterprise2.0 erscheint ein Kostensenkungspotenzial von 30 Prozent der Verwaltungs- und Archivierungskosten realisierbar.
Für das E2.0 Mangament steht meist das Return On Investment (ROI) im Vordergrund der betrieblichen Entscheidung. Um sich also für ein Benchmarking-Projekt zu entscheiden, muss für die Rechtfertigung dieser Entscheidung das Erfolgspotenzial, meist auch – inkorrekterweise – als Kostensenkungspotenzial bezeichnet, beziffert werden. Pauschalierte, allgemein gültige Ertragsprognosen – ausgedrückt in konkreten Euro-Beträgen – sind hierbei jedoch äusserst spekulativ: Jedes Unternehmen befindet sich in einer anderen Ausgangssituation.
Ebenso erbringt jede Benchmarking-Untersuchung nicht für alle Unternehmen unser Region einen identischen Nutzen. Letztlich bleibt es auch zweifelhaft, inwiefern es seriös ist, beispielsweise eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch eine verbesserte Dialogbreite im Kundenservice zu beziffern.
Entscheidend und daher auch erfolgsversprechender ist vielmehr die dem Benchmarking immanente Erkenntnis, ehrlich genug zu sein, um zuzugeben, dass ein anderes Unternehmen etwas besser tut als das eigene. Darüberhinaus muss man auch weise genug sein, lernen zu wollen, wir die Leistungslücke (Performance Gap) geschlossen werden kann und eventuell noch dazu ein Leistungsvorsprung und Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann.
Als Zwischenbilanz lässt sich festhalten, dass Benchmarking im Bereich von Social Media Engagement oft der erste Schritt auf dem Weg zum lernenden Unternehmen ist. Die besondere Eignung dieser Disziplin liegt in dem Verständnis von betrieblichen Abwicklungen als Prozesse. Dieses Verständnis findet nun auch über die Grenzen multimedialer Praktiken hinaus immer mehr Anhänger.
Interne Projekte
Erste OWL-Firmen haben Social Media Benchmarking bereits institutionalisiert. Den Einstieg bilden hier meist interne Benchmarking-Projekte. Der Filial- oder Niederlassungsvergleich ist beispielsweise relativ einfach durchzuführen. Hier stehen meist Daten aus identischen Kostenrechnungssystemen zur Verfügung. Langwierige Schritte zur Vertrauensbildung zwischen den Benchmarking-Partnern können übersprungen werden. Ein grosses Erfolgspotenzial besteht mit Hilfe geeigneter Partner auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Vielfach existieren auf diversen Ebenen Kontakte zum Erfahrungsaustausch, die für Social Media Benchmarking eine gute Ausgangsbasis bilden.
So einfach die Grundidee auch ist, so komplex stellt sich die praktische Umsetzung des Konzepts dar, da die Grundlagen sorgfältig ausgearbeitet werden müssen, um eine Vergleichbarkeit der Benchmarking-Partner zu gewährleisten. Hieran und an einer Unterschätzung des nötigen Arbeitsaufwandes scheitern erfahrungsgemäss viele ehrgeizig initiierte Benchmarking-Projekte. Bereits die oft ungeahnt aufwendige Datenbeschaffung stellt häufig eine nicht zu überwindende Hürde dar.