Bad Oeynhausen, 30. April. So etwa muss sich fühlen, wer sich erstmals mit Social Media beschäftigt: Ich – da rein? Niemals! Genauso fühle ich mich heute, zwei Tage vor meiner ersten re:publica und frage mich ernsthaft, ob das mein Ernst ist: Drei Tage Nerd-Konferenz, randvoll mit Experten, die ich maximal aus meiner Timeline oder gar nicht kenne und Information Overflow auf allen Kanälen.
Nun gut, das Ticket ist gekauft (das Geld ist definitiv weg), das Hotel ist gebucht (könnte ich noch absagen) und die Kinderbetreuung organisiert. Was hält mich also noch? Nichts? Stimmt.
Am ersten Konferenztag geht es früh um 6.00 Uhr los. Die Sonne geht auf über Ostwestfalen. Einfach schön! Der Zug fährt um 6.39 von Bad Oeynhausen nach Berlin. Ich dachte, dass so früh niemand reisen möchte und der Zug leer sein wird – weit gefehlt: Der Bahnsteig ist randvoll, glücklicherweise finde ich trotzdem einen Sitzplatz.
Ein Blick auf Twitter verrät: Wer nicht zum „Wacken der Medienschaffenden“ (zitiert nach Sebastian von den Frischen Fischen, genial!) unterwegs ist, schläft noch. Nein, stimmt nicht. Erstaunlich viele sind schon online – stimmt also doch, dass Facebook, Timeline und Online-Dienste schon vor dem Frühstück gecheckt werden. Normalerweise schlage ich dort immer erst ab 9.00 Uhr auf. In Hannover ergattere ich einen Sitzplatz am Tisch inklusive Steckdose (Yeah!). Der Zug leert und füllt sich und weiter geht die Reise. Wenn alles gut geht, werde ich um 9.19 Uhr in Berlin sein und dann Hotel und Station anpeilen.
Warum zur re:publica?
Warum ich fahre? Es gibt mehrere Gründe:
- Weil ich mich im letzten Jahr bei jedem Tweet aus Berlin geärgert habe, nicht dort zu sein. Meine Erkenntnis zur re:publica 2011: „Das passiert Dir nicht nochmal“ – 2012 wollte ich auch dabei sein.
- Weil keine andere Veranstaltung so viel Input und Inspiration in so kurzer Zeit bietet.
- Weil keine andere Veranstaltung Menschen aus völlig unterschiedlichen Bereichen zusammen bringt, die das Netz irgendwo und irgendwie miteinander verbindet.
- Weil ich neugierig darauf bin, den Menschen zu begegnen, denen ich im Netz schon eine gefühlte Ewigkeit auf den Fersen bin.
- Weil Berlin immer eine Reise wert ist und es auch ohne re:publica für Inspiration sorgt.
4000 Teilnehmer, über 350 Sessions, mehr als 350 Redner aus über 30 Ländern
Die re:publica 2012 ist eine Großveranstaltung. Auf insgesamt acht verschieden großen Bühnen fand zwischen 10.00 und 20.00 Uhr eine Session nach der anderen statt. Im Zentrum der Station am Gleisdreieck hatten die Veranstalter Kunststoffstühle gestapelt und zwei Podeste aufgebaut, die zum Sitzen und Gucken einluden und den riesigen Innenraum der Station angenehm aufteilten.
Die bunten Kunststoffstühle bekamen schon am ersten Tag Beine und verteilten sich über das gesamte Gelände. Eine tolle Idee, die sofort angenommen wurde. Sogar dort, wo die Sicherheitskräfte Bedenken hatten weil Fluchtwege verstellt wurde, gelang schnell und unkompliziert ein Kompromiss, mit dem Besucher und Sicherheitspersonal leben konnten. Ganz einfach und doch so genial.
Location – toll! Infrastruktur – verbesserungswürdig. Stimmung – ausgezeichnet!
Das Umfeld war professionell, gleichzeitig in einem netten Maß unkonventionell. Viele werden jetzt sagen: Eine re:publica ohne WLAN – das geht doch gar nicht. Stimmt – dort wo es um’s Internet geht, sollte WLAN selbstverständlich sein. Irgendwie ging es aber trotzdem: Eine SIM-Karten oder das re:publica-WLAN waren fast immer ansprechbar – für mich okay. Ich muss allerdings auch nicht laufend online sein oder gar während einer Session die andere im Livestream schauen; in diesem Punkt bin ich weit entfernt davon, repräsentativ zu sein.
Die Station Berlin am Gleisdreieck bietet einen tollen Rahmen für die re:publica: Acht Bühnen unterschiedlicher Größe für kleine und große Themen, bekannte und weniger bekannte Speaker. Im Zentrum der Station hatte der lichte Innenhof viel Platz für die Stände der Sponsoren und Aussteller und für Gastronomie und Kommunikation. Zusätzlich leistete sich die re:publica den Luxus einer analogen Twitterwall, die regelmäßig mit den Tweets der Veranstaltung tapeziert wurde. Höchstens überdimensional bedrucktes Endlospapier wäre noch cooler gewesen …
Gesucht – gefunden: re:publica 2012
Berlin, 03. Mai. Geschafft und zufrieden sitze ich am letzten Tag der re:publica, einen halben Tag vor dem offiziellen Ende, im Zug zurück nach Ostwestfalen. In den Tagen zuvor habe ich mein Notebook kaum angerührt, lediglich die wichtigsten Mails im Hotel beantwortet, jetzt aber.
Die drei Tage re:publica waren voll mit neuen Eindrücken und mehr als voll mit Veranstaltungen zu den verschiedensten Themen. Für jemanden wie mich, der gern von einem Thema zum anderen hüpft und fast jedem etwas abgewinnen kann, ist eine re:publica streng genommen das letzte, was einem passieren sollte. Die Gefahr, sich in dem riesigen Angebot zu verzetteln und am Ende alles und nichts gesehen zu haben, ist absolut gegeben.
So bin ich – wie zu erwarten war – von einer Session in die nächste gezogen und habe weniger Zeit als viele andere in Austausch und Netzwerken gesteckt. Für meine erste re:publica finde ich das in Ordnung. Für’s nächste Jahr werde ich mir mehr Zeit zwischen den einzelnen Sessions nehmen und mir neben dem Programm auch einen Plan für’s Netzwerken machen.
Was nehme ich mit?
Endlich einmal Sascha Lobo live gesehen – das war cool. Eine wirklich gute Session zu Podcasts gehört – ausgezeichnet! Für so viele Informationen zu diesem speziellen Thema suche ich gewöhnlich lange im Netz und finde oft nicht den richtigen Experten. Der Rückblick in Sachen Recht im Netz mit Henning Krieg und Thorsten Feldmann war spitze – selten ist eine Stunde zu diesem an sich spuklangweiligen Thema so im Flug vergangen. Überhaupt: Die Juristen unter den Speakern der re:publica waren allesamt sehr unterhaltsam und keineswegs immer einer Meinung. Also nicht alles Schwarz oder Weiß, sondern viele Zwischentöne. Eine gute Erkenntnis!
Beeindruckt und berührt hat mich Raul Krauthausen. In der Session „Blogger im Gespräch“ erzählte er die Entwicklung des Projekts wheelmap.org, einem Verzeichnis für „rollstuhlgerechte und weniger bis nicht rollstuhlgerechte Orte“. Dabei war wheelmap.org nur der Hintergrund für einen bemerkenswerten offenen und engagierten Menschen, der intelligent und schlagfertig aus seinem Leben mit Behinderung und mit Menschen (noch) ohne Behinerung erzählte. Uns Zuschauer der Session eroberte er so im Flug, machte uns betroffen und brachte uns zum Lachen. Wunderbar!
Viele tolle Sessions habe ich verpasst – von ihnen gelesen oder erst nachher gehört. Vieles werde ich noch nachlesen und –hören. Wer ebenfalls online nachlesen möchte, findet einige Link-Empfehlungen am Ende dieses Beitrags.
Was wird 2013?
Klar: 2013 komme ich wieder. Und ich werde meine Sessions weniger dicht planen und mir mehr Zeit nehmen für Netzwerken und Kontakte. 4000 Menschen können nicht irren. Location, Rahmen und Inhalte der re:publica sind wie wenige andere Veranstaltungen geeignet, liebenswerte Eigenheiten zu bewahren und sich gleichzeitig neu zu erfinden.
Mich hat die re:publica uneingeschränkt gewonnen.
Mehr Informationen zur re:publica 2012 gibt es hier:
Nachberichte zur Veranstaltung und Livestreams ausgewählter Sessions auf Spiegel-Online
Nachlese, Rückblicke, Stimmungsbarometer auf dem Blog der re:publica
Zusammenfassung von Stimmen und Stimmungen mit schönem Fotostream von t3n
In der Tat: Es war prima. Ich hab mir die Zeit zum Netzwerken genommen und es hat erneut einfach Spaß gemacht. Habe hier http://www.code-x.de/besuch-der-republica-2012/ und hier http://www.thorsten-ising.com/republica-mein-review meinen re:publica kurz angerissen. #rp13 heißt es dann im nächsten Jahr.
Da war ich nur knapp schneller mit meinem Eintrag zur republica ;). Hatte Deine noch gar nicht gelesen als ich ihn eingestellt habe. – #rp13? Ich bin dabei!
@Stefanie und @Thorsten
Ich bin froh, bereits im November letzten Jahres mein 3-Tages-Ticket für die diesjährige re:publica gekauft zu haben. Dazu muss man wissen, dass die vorherigen Veranstaltungen durch zu kleine Raum-Kontingente und stetige Überfüllung gekennzeichnet waren. Gleichzeitig brach regelmäßig das Mobilfunk-Netz zusammen, so dass der menschliche Kontakt, wenn man schon nicht mehr in die überfüllten Räume eingelassen wurde, das eigentliche Highlight war. Mit der neuen Lokalität verliert sich die räumliche Enge, eine zentrale grosse Meeting-Plaza mit Restaurant bot noch mehr Gelegenheit zu tollen Gesprächen. Zusätzlich war eine offene Bartheke im Hof vor dem Einlass aufgebaut – Kontakt- und Flirtfläche in einem.
Diesmal waren die Vortragsthemen und simultan stattfindenden Events so umfangreich, dass auch ich einige Referenten erst später im Video-Mitschnitt hören konnte. Es gab einige Inhalts-ähnliche Vortragsstränge, so dass die Wege zu den Hörräumen nicht zu weit waren. Sehr angenehm habe ich die Mischung der Aussteller empfunden, sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis der Speisen und Getränke. Ein bisschen Barcamp-Niveau war noch beim nicht funktionierenden WLan und den sanitären Anlagen auszumachen.
Der grosse Gewinn der Veranstaltung, liegt für mich in den überraschend tiefgründigen Vortragsthemen, dener der Vortragstitel in kreinster Weise entsprach. Natürlich gab es auch Enttäuschungen, in denen ich mir seitens der Referenten weit mehr Erkenntnis-Zuwachs erwartet hätte. Insgesamt überwiegt allerdings der Wissensgewinn und die Alltags-Tauglichkeit der gehörten Fallbeispiele und Checklisten.
So bin ich mir sicher, auch im kommenden Jahr dabei sein zu wollen, zumal eine derartige Wissens- und Referenten-Dichte wohl nur in der Bundeshauptstadt möglich ist. In diesem Kontext habe ich mich über den Auftritt des Regierungssprechers gefreut, was darauf hoffen lässt, dass nicht nur die Piraten-Partei Neue-Medien-Kompetenz für sich beansprucht. Erste Anregungen von PR-Beratern im beruflichen Umfeld sind bereits umgesetzt; ich will ja nicht allein so aufgeschlaut sein…
Danke für die Ergänzungen, Jan. Ich habe in den letzten zwei Jahren mit traurigen Augen meiner Timeline zugeschaut und die republica nur aus der Ferne erlebt. An der guten Stimmung und den überfüllten Räumen konnte man von zu Hause auch teilhaben – an den Sessions bei weitem nicht so einfach. Und wo hat man schon mal die Chance, so viele Gleichgesinnte und Online-Bekannte zu treffen.
Ich hatte allerdings auch den Eindruck, dass die Veranstaltung sich sehr professionalisiert hat. Was sehr gut ist – gut für die republica und für Berlin als Veranstaltungsort. Und wenn manch einer wehmütig auf die ersten republicas zurück schaut, macht diese positive Entwicklung doch richtig Lust auf die republica 2013!
Für mich war es inzwischen die dritte re:publica und auch 2013 werde ich wieder dabei sein. Die unglaubliche Fülle an Informationen hat JWD ja bereits in seiner Antwort angedeutet. Bereits am zweiten Tag wusste ich z.T. nicht mehr was ich gehört, gelesen oder angeschaut habe. Wow. Meinen weniger nüchternen Recap zur re:publica findet ihr unter http://blog.comspace.de/allgemein/recap-republica-von-dem-gefuehl-des-ueberinformiert-seins-rockstars-gema-und-der-digitalen-zukunft/
Gut, dass doch einige aus OWL in Berlin waren. Solange wir uns hier nur virtuell treffen, sollten wir die nächste republica nutzen, uns in Berlin persönlich kennen zu lernen ;).